7-) Jeder nur für sich? Nicht ganz. New York ist eine Hochburg des Freiwilligentums
Bis letzten November hatte Wendy Capalone, 35, einen Job, von dem viele Leute träumen – als A&R-Chefin (zuständig für „artists and repertoire“) bei einem bekannten Musikkonzern, also in der Abteilung, die neue Künstler entdecken soll. Doch statt Glamour und Stars sind heute Suppenküchen mit Obdachlosen Teil ihres Lebens.
Die unerwartete Arbeitslosigkeit schärfte ihren Blick für die Armut, die es in der Stadt gibt. Zu viel freie Zeit und der schwierige Jobmarkt taten ihr Übriges, und Wendy entschloss sich zu einem Schritt, den viele New Yorker tun – dem freiwilligen Helfen anderer Menschen.
„Ich habe im letzten halben Jahr für drei verschiedene Organisationen gearbeitet. Eine liefert Mahlzeiten in die Wohnung schwer kranker oder sehr alter Menschen. Eine andere berät Leute in prekärer finanzieller Situation oder mit Schulden. Die dritte sammelt Geld, um den Kindern einkommensschwacher Familien Aufenthalte in ‚Summer Camps’ auf dem Land zu ermöglichen.“
Hilfsorganisationen in New York sind so divers wie die Stadt selbst. Nur ein paar Beispiele von den hunderten Organisationen, die hier aktiv sind: Brooklyn Animal Rescue widmet sich ausgesetzten Tieren, South Bronx United macht Jugendarbeit und Million Trees NYC hat sich zum Ziel gesetzt, in den zehn Jahren von 2007 bis 2017 eine Million neue Bäume zu pflanzen. (Anfang 2015 sind schon über 900.000 geschafft.) Freiwilligenarbeit findet auch außerhalb von Organisationen statt, so nach dem Supersturm Sandy, als Leute aus der ganzen Stadt ihren Mitbürgern in stark geschädigten Vierteln halfen.
„Mich persönlich hat Präsident Obama inspiriert, mit seinem Aufruf, sich wann immer möglich als Freiwillige zu engagieren. Und keinen Job zu haben, hilft auch. Ich habe eine Menge anderer Leute getroffen, die in derselben Situation wie ich sind. Darunter auch Banker, Anwälte oder Leute aus der Werbebranche, die alle ebenfalls ihren Job verloren haben“, erzählt Wendy.
„Ich glaube, wenn ich diese Arbeit nicht machen und nur an mich selbst und meine Jobsuche denken würde, bekäme ich Depressionen und verfiele in Selbstmitleid. Zu sehen, dass es Menschen gibt, denen es hundertmal schlechter geht als mir, verleiht mir eine Perspektive, und die Arbeit gibt mir Erfüllung und das Gefühl, gebraucht zu werden. Das ist mir sehr wichtig.“
Dank des Internets ist es heute auch leichter zu erfahren, wo man sich freiwillig engagieren kann. Webseiten wie Volunteer Match listen hunderte von Stellen. Ein Interessent kann sehen, welche Freiwilligenpositionen es gibt, die seinen Fähigkeiten, Interessen und zeitlichen Möglichkeiten entsprechen.
Die steigende Zahl freiwilliger Helfer führte in den letzten Jahren zu einer kuriosen Situation: Die begehrteren Stellen unter den gemeinnützigen Arbeiten, wie in Kunstmuseen oder im Tierheim, sind nicht immer einfach zu finden. „Im Moment könnte ich mich fünf Tage die Woche um Tiere kümmern“, sagt Kevin Rodriguez, 34, ein arbeitsloser Architekt, „gebraucht werde ich aber nur an zwei oder drei davon.“
„Immer mehr Leute wollen sich engagieren. Die Organisationen kostet aber der Einsatz und die Ausbildung eines Freiwilligen auch Zeit und Geld. Sie wollen die richtigen Freiwilligen, die nützliche Kenntnisse mitbringen und vor allem die richtige Einstellung. Bei neuen Leuten hat man immer die Angst, dass sie schnell wieder abspringen, wenn alles nicht ganz so schön oder einfach ist, wie sie sich das vielleicht vorstellt haben“, sagt Joe Santos, ein Koordinator für die Dachorganisation New York Cares.
Natürlich gibt es in der riesigen Stadt immer Möglichkeiten, sich zu engagieren, auch wenn es nicht unbedingt gleich die Traumstelle ist. Freiwillige jedenfalls sind aus der Gesellschaft hier nicht wegzudenken.
Ein Engel in Queens