Natürlich spielen einige Kriminalromane in New York. Es sind aber überraschend wenige, in denen die Stadt selbst lebendig wird, meist dient NY nur als Hintergrund und das Geschehen könnte auch in einer anderen Großstadt spielen. Eine Ausnahme sind Rex Stouts Nero-Wolfe-Romane, die 40 Jahre lang – von 1934 bis 1974! – erschienen. Ganz besonders das New York der 40er und 50er Jahre wird den Lesern hier auf eine Art und Weise nahegebracht, wie es sonst in der Krimiliteratur schwer zu finden ist.
Nero Wolfe ist ein exzentrischer Privatdetektiv montenegrinischer Abstammung. Zusammen mit seinem Sekretär Archie Goodwin sowie seinem Schweizer Koch und seinen Orchideen, um die sich ein alter Gärtner kümmert, wohnt er recht herrschaftlich in einem Brownstone (Backsteinhaus) auf der 35th Street in New York. Seine Spezialität sind Mordfälle, die er überwiegend vom Schreibtisch aus löst. Aus dem Haus geht er eigentlich nur, um in seinem Lieblingsrestaurant „Rusterman’s“ zu speisen (Essen spielt überhaupt eine wichtige Rolle – mit 140 Kilogramm ist Wolfe deutlich übergewichtig). Ansonsten ist sein Sekretär Goodwin, den er als Laufburschen missbraucht, für den Kontakt mit der Außenwelt zuständig. Goodwin hat sich an die Marotten seines Chefs gewöhnt, auch an dessen Frauenhass. Denn obwohl Wolfe viele gut betuchte Klientinnen hat, kann er Frauen nicht ausstehen und erträgt es kaum, wenn sie in seinem Büro hysterische Anfälle haben. In diesem Büro laufen alle Fäden zusammen, die Wolfe unterstützt von Goodwin sowie einem Netzwerk von Freunden und Kollegen spinnt, die für ihn in der Stadt ermitteln. Und typischerweise ist das Büro auch der Ort, an dem Nero Wolfe am Ende im Kreis aller Beteiligten den Täter entlarvt.
Fans der Krimireihe lieben vor allem die unterhaltsamen und geistreichen Dialoge und Wolfes juristischen Scharfsinn. Die Charaktere, besonders die der Verdächtigen, sind gut entwickelt und wirken lebensecht. Die Handlung selbst reißt einen nicht in jedem Teil vom Hocker und kann hier und da etwas langatmig und zu detailliert sein. Da es aber 47 Nero-Wolfe-Romane gibt, kann man sich auf die besten beschränken. Eine Eigenart der Erzählungen ist, dass die Hauptfiguren nicht älter werden, obwohl sich das New York, in dem sie agieren, wandelt und die unterschiedliche Entstehungszeit der Geschichten widerspiegelt. Weshalb man mit diesen Krimis ganz wunderbar auf Zeitreise gehen kann.
Hier sind ein paar Empfehlungen:
1934 – Fer-de-Lance (auch: Point of Death / Meet Nero Wolfe)
Die Lanzenschlange
1938 – Too Many Cooks
Zu viele Köche
1948 – And Be a Villain (auch: More Deaths Than One)
Aufruhr im Studio
1949 – The Second Confession
Das zweite Geständnis
1957 – If Death Ever Slept
Der Schein trügt
1958 – Champagne for One
Die Champagner-Party
1965 – The Doorball Rang
Per Adresse Mörder X
1973 – Please Pass the Guilt
Jedermanns Bombe
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