SoHo, eines der schicksten Viertel New Yorks, ist heute als Shopping Paradies bekannt, mit einer ungeheuren Dichte an Läden, viele davon im Luxussegment. Wer sich für New York interessiert, hat wahrscheinlich auch schon einmal gehört, dass es in SoHo Leute gibt, die in wunderschönen alten Fabriketagen leben mit traumhaft großen, offenen Wohnflächen, den sogenannten Lofts und weiß vielleicht auch von den vielen alten Gebäuden mit Gusseisenfassaden.
Die Geschichte SoHos
In den 1640er-Jahren begannen die ersten europäischen Kolonisten, Vertreter der holländischen ‘Dutch West Indies Trading Company’ Sklaven, die für sie arbeiteten, eine Art Halbfreiheit zu gewähren. Diese Menschen siedelten sich in einem Gebiet an, das zu einem großen Teil dem heutigen SoHo entspricht, als ‘Land der Schwarzen” bekannt wurde und ungefähr 70 Jahre existierte.
Mit der Expansion von Bevölkerung und Wirtschaft in New York im 18. Jahrhundert füllte sich SoHo immer mehr mit Menschen. Der nahe, große ‘Collect Pond‘ Teich verdreckte und wurde zu einem berüchtigten Brutort für Moskitos. Auch die Qualität des Wassers des Bachs, der der heutigen Canal Street entlanglief, war entsetzlich und mehr und mehr lebten in der Gegend nur noch arme Menschen, die keine andere Wahl hatten.
1813 wurden die Gewässer zugepflastert und der Stadtteil wurde in den folgenden Jahren zu einem Wohngebiet für die Mittelklasse, die viele Reihenhäuser errichteten. Auch gehobene Einzelhandelsgeschäfte wie Tiffany’s kamen in die Gegend. Es folgten Musikhallen und Theater und bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Broadway zwischen Canal Street und Houston Street das bekannteste Unterhaltungsviertel in New York.
Das ausgelassene Treiben zog auch Bordelle an und die Gegend wurde zum meistbesuchtesten Rotlichtviertel der Stadt. Zugleich kamen auch immer mehr kleinere Herstellungsbetriebe nach SoHo. Prostitution und Industrie führten dazu, dass die Mittelklassebewohner die Gegend ab 1860 herum in Rekordtempo verließen. Ihren Platz nahmen größere Industriebetriebe, Fabriken und Lager ein, vor allem im Textilbereich.
Ermöglicht wurde das größere Bauen durch eine neue Technologie, den ‘Cast Iron Facades’, Fassadenteilen aus Gusseisen. Sie wurden vor allem im mittleren Westen der USA hergestellt und konnten von Bauherren aus ganz Amerika aus einem Katalog bestellt werden.
Das Material bot entscheidende Vorteile gegenüber Ziegel und Stein. Es war fester, was den Einbau von hohen Fenstern ermöglichte. Das war in einer Zeit, in der es noch keine Elektrizität gab, enorm wichtig. Das Cast Iron konnte in Formen gegossen werden, was Verzierungen ohne die langwierige und teure Arbeit von Steinmetzen möglich machte.
Lange blieb SoHo vorwiegend ein Industriegebiet. Bis sich in den 1950er-Jahren die räumlichen Anforderungen der Betriebe änderten. Man wollte große, moderne Anlagen mit geräumigen Ladezonen für lange Sattelzüge, alles auf einer Ebene. Elektrizität war nun natürlich überall und negierte den Vorteil, den die großen Fenster einmal boten.
Nach und nach zogen die Unternehmen ins Umland und SoHo wurde mehr und mehr zu einem Niemandsland. Mitte der 1960er-Jahren begannen Künstler, die Lofts mit ihren riesigen offenen Flächen, hohen Decken, viel natürlichem Licht und günstigen Mieten für sich zu entdecken.
Die Künstler arbeiteten nicht nur in den Lofts, sondern wohnten meist auch in ihnen, was illegal war. Der Maler Chuck Close (1940-2001) zog 1967 in eine aufgegebene Fabriketage in dem Gebäude 27 Greene Street. In einem Interview mit dem New York Magazine erzählt er von dieser Zeit.
“Das Loft, in dem wir wohnten, wurde einmal für die Produktion von Unterwäsche genutzt. Es waren noch eine Menge Maschinen übrig, die niemand entfernt hatte. Wir hatten keine Heizung oder heißes Wasser. Wir schliefen unter elektrischen Decken und meine Frau und ich gingen zu unserem Freund Don ein paar Blocks weiter, um zu duschen. Aber der Preis stimmte. Wir zahlten am Anfang 150 USD für 220 qm, ein befreundeter Künstler lachte mich aus, weil seine Miete nur 50 USD war”.
„Ab und zu kam ein Inspektor von der Stadt”, erzählt Close, der später weltbekannt werden sollte. “Wir hatten ein Loch in die Treppe geschnitten, durch das wir sehen konnten, wer das Gebäude betrat. Unser Bett konnte zu einer Art Podest umgeklappt werden, darauf stellte ich dann schnell meine Malutensilien und war ‚bei der Arbeit‘, wenn jemand nachsehen sollte.”
1971 begann die Stadt die Nutzung der Künstlerlofts als Wohnraum zu legalisieren. SoHo begann sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu einem Trendviertel zu entwickeln. In den 1970er und 1980er-Jahren kamen Galerien und Restaurants nach in das Viertel. 1986 gab es eine Art Amnestie für alle Bewohner der ehemaligem Gewerberäume. (Diese galt nur für Künstler und bis heute ist es theoretisch illegal für einen ‚Nichtkünstler‘ in einem Loft zu leben.)
In den 1990er-Jahren kamen die Läden, viele im Luxussegment. Die Lofts sind heute Millionen wert und die mehr als 200 gusseisernen Gebäude, die noch existieren, sind denkmalgeschützt.
Und was bedeutet SoHo eigentlich? Es ist eine Abkürzung für “South of Houston“, da das Viertel südlich der Houston Street liegt. Der Stadtplaner Chester Rapkin, der später oft “Vater von SoHo“ genannt wurde, hatte sie sich 1963 ausgedacht. Vorher hatte die Gegend keinen eigenen Namen, sondern war einfach Teil des südlichen Manhattans.