Corona in New York – die Krise hat auch ihre guten Seiten

Grand Central Station – New Yorks größter Bahnhof in COVID-19 Zeiten

Bislang fielen in New York 23.000 Menschen der COVID-Pandemie zum Opfer, mindestens eine viertel Million Menschen erkrankten, eine Unzahl an Unternehmen gingen pleite und bis zu einer Million New Yorker wurden seit Beginn der Pandemie arbeitslos.  

Das ist bedrückend, aber große Krisen haben oft auch große positive und wiederbelebende Effekte.

New York war vor der Ausbreitung des Virus nicht nur die wahrscheinlich faszinierendste Stadt der Welt, sondern auch eine Metropole mit gewaltigen Problemen, von denen einige paradoxerweise durch die Pandemie erst einmal gelindert wurden.

Oben ein Foto, wie man die U-Bahn vor dem Ausbruch der Pandemie oft erlebte und darunter eine Szene, wie sie in den letzten Monaten typisch war – mittlerweile sind die Passagierzahlen wieder etwas gestiegen.

Foto Stephen Ross

Die Zeit von der Mitte der 1990er Jahre bis 2019 waren Boomjahre in der Stadt, die eigentlich nur durch die Finanzkrise 2008 unterbrochen wurden. Es flossen beispiellose Mengen an Menschen und Geld nach New York. Die Einwohnerzahl stieg um mindestens eine Millionen, es könnten auch erheblich mehr gewesen sein. New York wurde als Reiseziel immer populärer. Für 2019 verzeichnete NYC & Company (in etwa das Fremdenverkehrsamt der Stadt) 70 Millionen Besucher – mehr denn je!

Die steigenden Einwohner- und Besucherzahlen und die Wirtschaftskraft führten dazu, dass die Stadt voller als jemals zuvor wurde. Besonders galt das für Manhattan. Neben den circa 2 Millionen Einwohnern waren an den meisten Tagen noch mehrere Millionen Pendler und Besucher unterwegs, und das auf einer Fläche, die so groß wie Fürth ist.

So sah es auf dem High Line Park aus

Fast überall, so schien es, war man Teil einer dicht gedrängten Menschenmenge – sei es in der U-Bahn, auf den Gehwegen, beim Kaffeeholen oder beim Warten auf die Toilette. Manche Orte, wie der innovative High Line Park und Teile des Central Parks, waren so überfüllt, dass viele New Yorker die Lust auf einen Besuch verloren. Nun sind dort wieder viele Einheimische anzutreffen.  

Social Distancing im Kreissystem – seit Corona haben die Menschen mehr Platz in ihren Parks – Foto via Gothamist

Die Stimmung in New York wurde vielerorts freundlicher. Menschen haben oft etwas mehr Zeit füreinander. Viele arbeiten gar nicht oder von zu Hause. Wenn man jemand vor seinem Wohngebäude sieht, sagt man oft nicht nur im Vorbeirennen ‘Hallo’, sondern spricht auch einmal mit seinen Mitmenschen. Bei vielen Geschäftstreibenden wie Restaurantbesitzern merkte man vor COVID, dass man aus deren Blickwinkel nicht viel mehr als ‘Einer von Vielen’ war. Jetzt spürt man oft, wie sie sich über Gäste freuen.

Restaurantbesuche machen derzeit soviel Spaß, wie vielleicht noch nie. Die Stadt hat viele Bürgersteige für Gastronomie freigegeben und an fast jedem Block kann man jetzt al fresco essen, sogar mit einigem Platz zwischen den Tischen, um die Social Distancing Bestimmungen einzuhalten. Die Außenbereiche sind oft voll und werden bis in den Herbst, wenn es anfängt kalt zu werden, das Straßenbild auf schöne Weise beleben.  

New Yorker essen al-fresco an einem schönen Sommerabend – Foto Stephen Ross

Die gewaltigen Geldmengen, die in den Boomzeiten in die Stadt flossen, brachten immer mehr Auswüchse mit sich. Beispielsweise entstand auf einem Teil der 57th Street die sogenannte Billionaire’s Row – eine Ansammlung von ultraluxuriösen, superhohen Wohntürmen, in denen Wohnungen leicht 10 oder 20 Millionen Dollar kosten können. (Letztes Jahr wurde in der Gegend sogar ein Apartment für 238 Millionen Dollar verkauft.) Ein Großteil der Besitzer sind Leute, die nur einen Bruchteil ihrer Zeit hier verbringen und manchmal nur Geld in die USA schaffen wollten. 

Billionaire’s Row – Foto Stephen Ross

Für den normalen New Yorker wurde Wohneigentum dagegen immer unerschwinglicher, und die Menschen mussten einen immer größeren Teil ihres Einkommens für Miete ausgeben. Die Konsensus unter Immobilienexperten ist, dass die Preise für Wohneigentum in der Zukunft spürbar fallen werden, ein leichter Preisrückgang hat schon eingesetzt und auch das Geschäft mit den ultraluxuriösen Wohntürmen erhielt bereits einen Dämpfer. Projekte werden auf Eis gelegt und ein Szenario, in der der Wert dieser Wohnungen nicht erheblich fällt, ist schwer vorstellbar.

Mieter sind nun oft in einer guten Verhandlungssituation. Statt der obligatorischen Erhöhung, nach Ablauf eines Vertrags, können Mieten nun oft nach unten verhandelt werden. Die Zeiten, in der sich Vermieter eine „Friss oder Stirb” Behandlung von Mietern und Interessenten leisten konnte, sind erst einmal vorbei. Derzeit sollen in ganz New York fast 70.000 Apartments leer stehen.

Die Lebensqualität stieg auch auf ganz andere Arten. So sank zum Beispiel der Geräuschpegel spürbar. Man hört nicht nur mehr Verkehrslärm, sondern kann auch Klänge vernehmen, deren Existenz man fast schon vergessen hat, zum Beispiel das Zwitschern von Vögeln. Besonders im Mai, dem Höhepunkt der Zugvögelsaison, erhallten die Viertel rund um den Central Park im Vogelgesang. Es waren nicht mehr Vögel, nur hörte man sie dieses Jahr besser.

Die U-Bahnen sind nicht nur leerer denn je, sondern auch sauberer, denn die Waggons werden jede Nacht von 1-4 Uhr gereinigt und der U-Bahn Verkehr in dieser Zeit eingestellt. Es ist das erste Mal in ihrer Geschichte, dass die Subway nicht 24 Stunden durchfährt.

Trotz all dieser positiven Effekte kann die Stadt so auf Dauer natürlich nicht existieren. Menschenmengen, Lärm und Hektik sind Teil der DNA New Yorks. Auch Gäste werden im besucherfreundlichen New York immer gerne gesehen sein, auch weil der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige ist.

In den nächsten Jahren wird ein neues New York entstehen. Ich hoffe und glaube, dass es genau so voller Leben sein wird wie das alte. Es wird aber eine andere Stadt sein. Sicher werden sich viele der Veränderungen halten und neue dazukommen und Teil dieses ‘New New York’ werden. Trotz der großen Herausforderungen könnte so eine Stadt entstehen, die ein Stück lebenswerter sein wird.