Der Designer Marc Jacobs schaffte es auf den Olymp der Modewelt. Seine Stücke, oft clevere Adaptionen der Mode vergangener Zeiten, wurden bei hippen und prominenten Käufern genauso begehrt wie bei modeaffinen Teenagern – und seine Verkaufszahlen addieren sich inzwischen zu Beträgen von Hunderten Millionen Dollar.
Es war ein langer und schwerer Weg für Jacobs, der 1963 in New York geboren wurde.
Sein Vater starb, als er sieben Jahre alt war. Nachdem er mit seiner Mutter und verschiedenen Stiefvätern nicht besonders gut zurechtkam, verließ Jacobs sein Zuhause und zog zu seiner Großmutter, die in einem exklusiven Apartmentgebäude am Central Park wohnte. Jacobs hat gute Erinnerungen an diese Zeit. „Ich sage immer, mein Leben fing richtig an, als ich zu meiner Großmutter zog. Sie war ein ausgeglichener Mensch und hat mich immer ermutigt“, erzählte er in einem Artikel des New York Times Magazine. Dieses positive Umfeld half ihm, sein erstes wichtiges Ziel zu erreichen: die Aufnahme in die begehrte High School of Art and Design. In dieser Zeit fand er auch seinen ersten Job in der Modewelt – eine Teilzeitanstellung in einer Boutique auf Manhattans Upper West Side. Nebenbei bestickte er Sweatshirts. Der Besitzer der Boutique fand sie so gut, dass er gleich ein paar von ihnen in seinem Laden ausstellte – Jacobs war zu dem Zeitpunkt gerade 15 Jahre alt. Während seiner High-School-Jahre entdeckte er auch seine Liebe zum ausschweifenden Partyleben. Oft ging er nach einer durchgefeierten Nacht in der damals angesagten Disko Studio 54 direkt zum Unterricht.
Die nächste Phase war die Parsons New School for Design, eine den kreativen Berufen gewidmete Hochschule. Hier studierte er Modedesign. 1984 zeigte er seine Abschlusskollektion. Zur Präsentation erschien der 28-jährige Robert Duffy, der als Manager bei einem Modehaus arbeitete. Duffy hatte noch nie von Jacobs gehört, sondern kam aus allgemeinem Interesse an jungen Designern. Er erkannte sofort großes Potenzial bei Jacobs, und eine lebenslange Geschäftspartnerschaft begann – Jacobs’ kreative Talente und Duffys Marketingfähigkeiten ergänzten sich ideal.
1986 begannen Jacobs und Duffy, Kleidung unter dem Namen Marc Jacobs zu produzieren. Die folgenden elf Jahre waren voller Höhen und Tiefen. Jacobs erhielt, als bislang jüngster Preisträger, den prestigeträchtigen Perry Ellis Award (1987). Supermodels wie Naomi Campbell und Linda Evangelista mochten seine Mode so sehr, dass sie bereit waren, ohne Gage für ihn zu modeln. Trotzdem waren Jacobs und Duffy nicht in der Lage, die Unternehmung profitabel zu machen, sodass die Firma permanent in finanziellen Schwierigkeiten steckte und Jacobs gezwungen war, zusätzliche Jobs anzunehmen. Zum Beispiel als Creative Director für das Modehaus Perry Ellis.
Im Jahr 1997 kam der Anruf, der vieles verändern sollte. Bernard Arnault, der Geschäftsführer der Firmengruppe LVMH, der auch Louis Vuitton gehört, war auf der Suche nach einem Kreativdirektor, der dieser luxuriösen Marke neues Leben einhauchen sollte, und er glaubte, Jacobs könnte der richtige Mann dafür sein. Arnault kam nach New York, um sich mit Jacobs und Duffy zu treffen, und nach zähen Verhandlungen – Jacobs setzte durch, dass Vuitton auch Marc Jacobs finanziert – erhielt er den Job. Jacobs verjüngte die Marke unter anderem durch Zusammenarbeit im Designbereich mit modernen Künstlern wie Takashi Murakami und expandierte über das ursprüngliche Geschäft mit Handtaschen und Gepäck hinaus in den Bereich Bekleidung. Innerhalb von sieben Jahren nach Jacobs’ Start bei LV verdreifachte sich der Umsatz.
Jacobs befand sich nun in einer Situation, in der er neben seiner eigenen Firma auch für die kreative Seite einer der bekanntesten Luxusmarken der Welt verantwortlich war. Ständig pendelte er zwischen Paris und New York hin und her. Gut möglich, dass dieser Stress ein Grund dafür war, dass der Drogen gegenüber nie gänzlich abgeneigte Jacobs damit begann, täglich Kokain und Heroin zu konsumieren. Zu guter Letzt überzeugten Duffy und andere Freunde, die um sein Leben bangten, ihn im Jahr 1999 davon, einen Entzug zu machen. (Fast acht Jahre lang blieb er clean. Er hatte 2017 einen Rückfall, aber Freunden zufolge hat er es seitdem geschafft, drogenfrei zu bleiben.)
Die neue Perspektive eines Lebens ohne Drogen hatte vielleicht auch Auswirkungen auf sein Privatleben. Jedenfalls verlobte er sich bald nach seinem Rückfall mit seinem brasilianischen Freund Lorenzo Martone. „Ich bin so glücklich und dankbar, dass ich mein Leben mit ihm und er sein Leben mit mir teilen darf. Wir kommen so gut miteinander aus und kümmern uns so sehr umeinander“, sagte er glückstrahlend in einem Interview mit dem Magazin Elle über Lorenzo, einen Fahrraddesigner. Sehr lange hielt das Glück nicht, und 2010 wurde die Verlobung gelöst. Jacobs nächster Mann war der 24-jährige Pornostar Harry Louis, aber auch diese Beziehung ging in die Brüche.
Während all dem wuchs sein Unternehmen und sein Name wurde immer bekannter in der Modewelt. Seine Kleider wurden so begehrenswert, dass sie sogar gestohlen wurden. Als die Schauspielerin Winona Ryder im Jahr 2002 für einen ihrer bizarren Diebstähle verhaftet wurde, bestand ein Großteil der Tagesbeute aus Stücken von Marc Jacobs. Der Designer war erfreut. Während des Verfahrens trug Ryder ausschließlich seine sittsamen Sekretärinnen-Outfits. Ein Jahr darauf erschien sie in einer Anzeigenkampagne von Marc Jacobs, fotografiert übrigens vom deutschen Fotografen Jürgen Teller, mit dem Jacobs schon seit bald 20 Jahren arbeitet. Seine Tätigkeit für Louis Vitton hat Jacobs 2014 aufgegeben, um sich voll seiner eigenen Marke widmen zu können, die er bald an die Börse bringen will.
Natürlich gibt es viele, die nicht gerade von Jacobs begeistert sind. Unter ihnen Modekritiker, die ihn und seine Kleider abscheulich und peinlich finden. Auch Anwohner von Manhattans West Village, die sich beschweren, dass die vier Läden, die er fast nebeneinander auf einem kurzen Stück der Bleecker Street betreibt, die nette ruhige Straße in ein Shopping-Zentrum verwandeln. (Die Shops sind oft so überlaufen, dass Kunden erst einmal eine Zeit lang draußen auf dem Bürgersteig warten müssen, bevor sie rein gelassen werden.)
„Ich liebe, wie eine Modeidee für einen Moment lebt und ihr danach das Extrem der totalen Ablehnung widerfährt“, sagt Jacobs in einem Interview mit Suzy Menkes von der Vogue. „Ich wurde genauso wie die von mir verehrte Miuccia Prada oft dafür kritisiert, dass ich die Designs von einer Saison zur nächsten radikal ändere. Aber für mich bedeutet Mode genau das: in einer Saison zu sagen ‚Das muss ich unbedingt haben’ und in der nächsten Saison zu behaupten ‚Damit will ich mich nicht einmal tot erwischen lassen’. Ich liebe diese Perversität und Obszonität.“
Alles Neue findet Jacobs aber nicht gut. „Dieses ganze Social-Media-Ding widert mich an. Es hat keinen Reiz für mich, genau wie Arbeit am Computer. Ich will kein Buch auf einem Gerät lesen, sondern mag eines, das gebunden ist. Ich schleppe lieber kiloweise Magazine mit mir herum, als sie mir auf dem Internet anzusehen. Das hat keine Anziehungskraft für mich, zu der Generation gehöre ich nicht“, erzählt er der Vogue.
Ein Teil des Geheimnisses seines Erfolgs ist sicher, wie bei vielen berühmten Menschen, das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. In einem Gespräch mit der New York Times wurde er gefragt, wie er sich fühle, wenn seine Kollektionen, nach viel Arbeit, endlich auf den Laufsteg kämen: „Mit meiner Kleidung mache ich das ehrlichste Statement, das ich geben kann. Ich liebe Aufmerksamkeit. Ich liebe die Reaktionen auf meine Shows, weil ich Aufmerksamkeit will.“
Trotz der vielen Arbeit findet der 55-jährige Jacobs, der für seinen schrägen und sarkastischen Humor bekannt ist, Zeit, um Spaß zu haben. Jedes Jahr ist er Gastgeber einer extravaganten Weihnachts-Kostümparty, die zu den begehrtesten Veranstaltungen in der New Yorker Modewelt gehört. Er schreckt auch nicht davor zurück, in Interviews detailliert sein Sexleben inklusive seiner Penisgröße zu beschreiben, so etwa vor ein paar Jahren in der Schwulenzeitschrift Out.
Humor kann Jacobs derzeit auch gebrauchen, denn wie bei jeder Modegröße, nagt auch bei ihm der Zahn der Zeit und der Trends. Wie Business of Fashion berichtet, ging der Umsatz in den letzten Jahren von 650 auf 300 Millionen Dollar zurück. Im Februar dieses Jahres heuerte er den 20 Jahre jüngeren Designer John Tabor an, der die Marke wieder auffrischen sollte – nur 71 Tage später feuerte er ihn wieder. Auslöser seien kreative Differenzen gewesen. Gerüchten zufolge war ein anderer Grund, dass Jacobs dann doch keinen anderen, charismatischen Designer neben sich dulden konnte. Privat läuft es aber dieses Jahr gut bei Marc. Im April machte er seinem Freund Char Defrancesco einen Heiratsantrag in einer Filiale der Fast Food Kette ‘Chipotle‘, der freudig angenommen wurde. Mit Liebesleben intakt, hat Jacobs verkündet, dass er nun auch geschäftsmäßig wieder voll aufdrehen und mehr selbst in die Hand nehmen will. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die New Yorker Modeikone zu alter Stärke zurückfinden kann.
Marc Jacobs – Aufstieg und (relativer) Fall einer New Yorker Modeikone
https://newyorkaktuell.nyc/der-new-yorker-modesommer-1969/
Über die Ikonen hier unten, kommt Ihr direkt auf die Facebook, Twitter Links zu diesem Artikel (Instagram ist noch nicht aktiv). Wir würden uns wahnsinnig über Kommentare, und Likes freuen und wenn Ihr die Story mit Euren Freunden teilt, wenn sie Euch gefallen hat, denn nur mit wachsenden Publikum wird es uns möglich sein NY Aktuell aufrecht zu erhalten.