1977 verfolgte ganz Amerika mit Faszination und Schrecken die Taten eines die Öffentlichkeit suchenden Serienkillers, der es auf Frauen und Paare abgesehen hatte. Er bezeichnete sich selbst in bizarren Briefen an die Boulevardpresse und das New York Police Department (NYPD) als „Son of Sam“.
„Sam liebt es, Blut zu trinken“, schrieb der Killer über sich in der dritten Person. „Ich fühle mich wie ein Außenseiter. Ich bin auf einer anderen Wellenlänge, als alle anderen – programmiert darauf, zu töten.“ Die zumeist wirren Briefe waren voll mit Anspielungen auf Teufel, Dämonen und Okkultes.
Im Juli 1977 trieb der Mörder, der wegen der Wahl seiner großkalibrigen Tatwaffe in der Presse auch der „44 caliber killer“ genannt wurde, schon seit einem Jahr sein Unwesen. NYPD-Experten in der Erstellung von Täterprofilen erkannten beim Son of Sam Geltungsdrang und einen Hang zum Symbolismus. Sie stuften deshalb die Wahrscheinlichkeit, dass er um den 29. Juli, den ersten Jahrestag seiner ersten Tat herum, wieder zuschlagen würde, als hoch ein. Es wäre eine Bühne, der er nicht widerstehen könne, glaubten sie. In einer gigantischen Polizeiaktion, an der 8.000 Polizisten beteiligt waren, deckte das NYPD mehrere Tage lang engmaschig diejenigen Viertel in der Bronx und in Queens ab, wo der Son of Sam die meisten seiner Taten begangen hatte. Freiwillige hielten an Brücken und Hauptstraßen nach außergewöhnlichen Vorkommnissen Ausschau und warnten Frauen und Paare. Tatsächlich schlug der Son of Sam am 31. Juli auch wieder zu. Aber nicht in der Bronx oder in Queens, sondern in Brooklyn.
Robert Violante und Stacy Moskowitz, beide 20 Jahre alt, saßen in einem geparkten Auto und genossen den Blick auf das Wasser Richtung Brooklyn. Der Killer kroch zu ihrem Auto herüber, zog seine Waffe und schoss die beiden in den Kopf, bevor er flüchtete. Stacy starb innerhalb von Stunden und Robert verlor ein Auge.
Aber es war der Anfang vom Ende des Son of Sam. Eine Frau, die ihren Hund ausführte, erzählte der Polizei, sie glaubte, den Killer gesehen zu haben – und zwar in einem Auto, das widerrechtlich neben einem Hydranten geparkt war und einen Strafzettel an der Windschutzscheibe hatte.
Die New Yorker Punkband nahm 1977 den Song ‚Son of Sam‘ auf. Hier Link zu Video mit Collage von Zeitungstitelblättern, Fotos und Dokumenten zum Fall.
Die Polizei hatte nun das Bisschen Glück, auf das sie solange gewartet hatte und das zur Aufklärung so mancher Fälle nötig ist (besonders in einer Zeit, wo wissenschaftliche Methoden wie die DNA-Analyse noch nicht zur Verfügung standen). Die Überprüfung der verteilten Strafzettel ergab einen Verdächtigen: David Berkowitz, ein Postangestellter aus Yonkers – einem Vorort New Yorks. Gespräche mit den Polizeikollegen in Yonkers erhärteten den Verdacht des NYPD.
Am 10. August durchsuchten die Polizisten Berkowitz’ Auto, während er in seiner Wohnung war. Dort fand man einen Revolver, Kaliber 44, und ein vollständig geladenes Maschinengewehr, dazu einen weiteren der bizarren Briefe des Son of Sam. Als die Polizisten das Apartment von Mr. Berkowitz umzingelten, wurden sie von diesem überrascht.
„Sie haben mich erwischt. Warum hat es so lange gedauert?“, sagte er beim Anblick der Beamten.
Der Fall hielt zu diesem Zeitpunkt bereits die ganze Welt in Atem. Was sie und Amerika zu sehen bekam, war ein pummeliger, leicht ungepflegter 24-Jähriger, der so gar nicht der allgemeinen Vorstellung von jemandem entsprach, der 13 Menschen systematisch ermordet oder schwer verletzt hatte.
Vor Gericht machte Berkowitz Dämonen für seine Taten verantwortlich. Er gestand, sechs Menschen ermordet und weitere sieben verletzt zu haben. Im Prozess wurde er für die sechs Morde zu 365 Jahren Gefängnis verurteilt und erhielt zusätzliche Strafen für die Mordversuche.
Warum nannte er sich Son of Sam? Seine Befehle, so erklärte er später, erhielt er von dem von Dämonen besessenen Labrador seines Nachbarn Sam Carr. Bei der Durchsuchung von Berkowitz’ Wohnung fand man eine Matratze, die mit den Worten beschmiert war: „Sam Carr – mein Meister“.
Heute sitzt David Berkowitz im Sullivan Correctional Center, ein paar Stunden nördlich von New York. Dort gilt er als Mustergefangener und hat im Gefängnis anscheinend auch zu Gott gefunden. Er trat der Sekte der Born Again Christians bei, die daran glaubt, dass man mit seiner Wiedergeburt als „echter Christ“ sein vorheriges Leben abstreift. Sicher keine schlechte Philosophie für jemanden wie Berkowitz.
Spike Lee hat in seinem Film „Summer of Sam“ die Atmosphäre des Sommers 1977 in New York gut eingefangen.
Die Taten des Son of Sam
– 29. Juli 1976: Auf Jody Valenti und Donna Lauria wurde geschossen, während sie in einem geparkten Auto vor Donnas Apartment saßen und sich unterhielten. Laura starb sofort durch einen Genickschuss. Valenti überlebte die Attacke.
– 23. Oktober 1976: Carl Denaro und Rosemary Keenan wurden beschossen, während sie in Denaros geparktem Auto saßen. Beide überlebten, aber Carl wurde von einer der Kugeln in den Kopf getroffen.
– 26. November 1976: Donna De Masi und die 18 Jahre alte Joanne Lomino waren nach einem Spätfilm zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Berkowitz folgte ihnen kurz und schoss dann auf sie. Donna überlebte, ohne physische Schäden zu erleiden. Joanne blieb zeitlebens gelähmt.
– 30. Januar 1977: Die 26 Jahre alte Christine Freund und ihr Verlobter John Diel wurden angeschossen, als sie in einem parkenden Auto saßen. Christine starb und Daniel überlebte die Attacke.
– 8. März 1977: Virginia Voskerichian, eine Stipendiatin des Barnard College, wurde angeschossen und getötet, während sie vom Unterricht nach Hause ging.
– 17. April 1977: Die 18 Jahre alte Valentina Suriani und ihr 20-jähriger Freund Alexander Esau wurden zweifach angeschossen. Beide starben an ihren Schusswunden. Berkowitz hinterließ am Tatort einen Brief, den er mit „Son of Sam“ unterschrieben hatte.
– 26. Juni 1977: Judy Placido und Sal Lupo wurden angeschossen, als sie eine Diskothek verließen. Beide überlebten den Angriff, obwohl Judy dreimal getroffen wurde.
– 31. Juli 1977: Bobby Violante und Stacy Moskowitz wurden angeschossen, als sie ihr Auto in der Lovers Lane geparkt hatten. Stacy starb an einer Kugel, die ihren Kopf getroffen hatte, und Bobby verlor seine Sehkraft auf einem Auge ganz und auf dem anderen Auge teilweise.