Am 20. Februar 1939 – nur sechseinhalb Monate, bevor Adolf Hitler in Polen einmarschierte und der Zweite Weltkrieg begann, veranstalteten die amerikanischen Nazis vom ‚German-American Bund‘ eine Kundgebung im Madison Square Garden. Es nahmen 22.000 Sympathisanten teil. Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland wurde lauthals gefeiert. Die Teilnehmer gaben Hitlergrüße in Richtung eines 10 Meter hohen Porträts von George Washington, das von Bannern und Fahnen mit den amerikanischen Nationalfarben und Hakenkreuzen flankiert war. Sei sahen den ersten Präsidenten der USA, aus irgendwelchen Gründen als Seelenverwandten.
Der antisemitische ‚Bund‘ war in den 1930-er Jahren auch sonst recht aktiv in den USA. Unter anderem organisierte er NS-Sommerlager für Jugendliche und ihre Familien mit Namen wie ‘Camp Siegfried’. Viele der so ‘geschulten‘ jungen Mitglieder des Bundes waren auch im Madison Square Garden anwesend. Einige davon als Teil des ‘Ordnungsdienstes’ (OD), einer selbsternannten Polizei, die sich im Stile der SS kleidete.
Banner auf der Veranstaltung hatten Botschaften wie “Stop Jewish Infection of Christian Americans” und “Wake Up America. Smash Jewish Communism. ” In seiner umjubelten Abschlussrede belegte der 43-jährige Fritz Julius Kuhn, der ‘Führer‘ des Bundes, US Präsidenten Franklin Delano Roosevelt und Bezirksstaatsanwalt Thomas Dewey mit antisemitischen Beleidigunghen. Aus Roosevelt wurde „Rosenfield” und aus Dewey „Jewey “, dass beide nicht einmal Juden waren, spielte keine Rolle für Kuhn.
“Wir fordern die amerikanischen Ideale von der Regierung ein. Die Regierung muss dem amerikanischen Volk zurückgegeben werden”, erklärte der eingebürgerte Chemiker Kuhn dem begeisterten Publikum im Madison Square Garden. „Wir wollen mehr soziale Gerechtigkeit, und ein von weißen Nicht-Juden regiertes Amerika mit Gewerkschaften, die von Nicht-Juden kontrolliert werden und frei vom Einfluss aus Moskau sind”. Hier ein Video mit Ausschnitten von Kuhns Rede.
Kuhns Rede wurde von einem jüdisch-amerikanischen Mann namens Isadore Greenbaum unterbrochen, der auf die Bühne sprang. Mit Prügeln von Polizei und ‚Ordnungsdienst‘ und unter Jubel des Publikums wurde Greenbaum schnell von der Bühne entfernt, wobei ihn auch die Hose herunter gezogen wurde.
Zum Zeitpunkt der Kundgebung baute Hitler schon sein sechstes Konzentrationslager. Demonstranten vor dem Madison Square Garden – viele von ihnen jüdische Amerikaner – sorgten sich, dass das, was in Deutschland geschah, auch in den USA passieren könne. Sie trugen Schilder mit Texten wie “Smash Antisemitism” und “Gib mir eine Gasmaske, ich kann den Geruch von Nazis nicht ertragen.” “Warten Sie nicht auf die Konzentrationslager – Jetzt handeln!”
Die Polizei reagierte oft gewaltsam auf die Demonstrationen vor der Halle, aber als sich die Kundgebung in dieser Nacht auflöste, schafften es einige Demonstranten doch an der Polizei vorbeizuziehen und auf Nazis einzuprügeln.
Adolf Hitler wollte mit dem Bund und Kuhn nie viel zu tun haben. Hitlers Strategie war es zu dieser Zeit, die mächtigen Amerikaner möglichst aus dem Geschehen in Europa herauszuhalten. Der Bund und Kuhn konnten da nur hinderlich sein.
Als der selbsternannte ‘American Führer’ 1936 nach Berlin kam, gab es nur eine sehr kurze, unpersönliche, für Kuhn enttäuschende Begegnung mit seinem Idol. Sie geschah im Rahmen der Olympiade, während der Hitler hunderte Leute kurz traf und sich mit ihnen fotografieren ließ. Es gibt auch ein Foto von Hitler mit Kuhn, dessen Aufnahme Hitler später als ‘Fehler’ bezeichnete. Kuhn vermeldete bei seinen Anhängern aber wie herzlich und interessiert der ‘Führer’ ihn empfangen hätte, mit dem Bild als Beweis.
1941, zwei Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, musste der Bund aufgrund der politischen Lage seine Aktivitäten komplett einstellen. ‘American Führer’ Kuhn saß seit Dezember 1939 im Gefängnis. 1943 wurde ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt und nach dem Krieg wies man ihn aus. Kuhn starb, nachdem er auch einige Jahre in deutschen Gefängnissen zugebracht hatte, 1951 vergessen und mittellos in seiner Heimatstadt München.
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