Queens, New York im Jahr 1925.
Ruth Snyder, eine 32-jährige Hausfrau, beginnt ein Verhältnis mit Judd Gray, einem Korsettmacher. Zwei Jahre später entscheiden die beiden sich Ruths Ehemann Albert, der immer noch nichts von der Affäre wusste, aus dem Weg zu räumen.
Ruth brachte Albert, einem Redakteur bei einer Motorbootzeitschrift, dazu, eine bescheidene Lebensversicherung zu ihren Gunsten abzuschließen. Durch Fälschen seiner Unterschrift erhöhten die Hausfrau und ihr Liebhaber den Betrag auf stolze 48.000 USD (nach dem US-Inflationsrechner 812.000 USD in heutigem Geld). Sie änderten die Art von Versicherung auf ‘Double Indemnity, bei der doppelt so viel ausgezahlt wird, sollte der Halter durch einen unerwarteten Gewaltakt ums Leben kommen. Jetzt standen 1,6 Mio. USD auf dem Spiel.
Am 12. März 1927 schlug einer der beiden oder beide mit einem Sprosseneisen auf Albert ein und erdrosselten den dann wehrlosen Mann. Danach versuchten sie den Tatort so zu inszenieren, dass der Eindruck eines Einbruchs entstehen würde, und riefen die Polizei.
Kriminalbeamte mussten sich nur kurz in dem Haus umsehen, um zu merken, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Spuren eines Eindringlings und Ruths Verhalten passte nicht zu dem einer Frau, deren Ehemann kurz vorher von einem Fremden vor ihren Augen getötet wurde. Nur ein paar Monate später wurden Snyder und Gray der Prozess im Long Island City Courthouse in Queens gemacht, der zwölf Tage dauern sollte.
Die Zeitungen stürzten sich auf den frivolen Fall mit der unwiderstehlichen Kombination aus Mord, Gier und Sex. Zur Begeisterung der Leser wurden alle erdenklichen Geschichten rund um die Geschehnisse vor Gericht veröffentlicht. Dort beschuldigten sich Judd Gray und Ruth Snyder gegenseitig. Am Ende lautete das Urteil für beide ‚Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl‘.
Ein Foto von der Exekution Snyders, der ersten Frau, die seit 1899 in New York zum Tode verurteilt wurde, veröffentlichen zu können, wäre der krönende Abschluss für die Zeitungen gewesen und hätte gewaltige Auflagen bedeutet. Der Ort der Hinrichtung war das Sing-Sing Gefängnis im Ort Ossining im Staat New York, 50 km nordwestlich von New York City. (Übrigens der offizielle Name der Strafanstalt, die immer noch in Betrieb ist.)
Leider war Fotografieren in der Hinrichtungskammer strengstens verboten. Die Gefängnisleitung ließ aber überraschenderweise Berichterstatter ohne Kameras zu und bei der New York Daily News – eine der großen Boulevardzeitungen der Stadt – heckte man den Plan aus, eine versteckte Kamera in den Raum hineinzuschmuggeln.
Die Zeitungsmacher wussten, dass das Gefängnispersonal die meisten ihrer Reporter kannte und man sie bei dem Ruf des Boulevardblatts besonders im Auge behalten würde und verpflichteten so einen Fotografen von außerhalb – Tom Howard von der Chicago Tribune.
Howard wurde mit einer winzigen Kamera ausgestattet, die er an seinem Hosenbein anbrachte. Ein Draht verband den Apparat mit einem Auslöser in Reichweite seiner Hand.
Am 12. Januar 1928 fand die Hinrichtung statt. Snyder wurde mit mehreren breiten Ledergurten am Stuhl fixiert und eine Elektrode mittels Kinnriemen an ihrem kahl geschorenen Kopf befestigt. Eine weitere Elektrode wurde am rasierten Unterschenkel angebracht. Um einen ausreichenden Stromfluss zu gewährleisten, wurde zusätzlich mit gesättigter Kochsalzlösung getränkter Naturschwamm zwischen Elektroden und Haut platziert. Anschließend wurde ihr Kopf mit einem Lederriemen, der das Gesicht vom Kinn bis zu den Augen verdeckte, am Mittelpfosten der Rückenlehne befestigt. Der Hebel wurde betätigt, Strom lief für weniger als eine Minute durch Ruth Snyder und sie starb.
Howard schaffte es im richtigen Zeitpunkt, dem Moment des Todes, sein Foto zu schießen.
Die Kamera wurde eilig in die Stadt gebracht und der Film schnellstmöglich entwickelt. Die Zeitungsleute staunten, als sie das Bild vor sich hatten. Obwohl er nicht einmal richtig sehen konnte, was er fotografierte, gelang Howard, eine der außergewöhnlichsten Aufnahme der 1920er-Jahre. Ein gruselig verschwommenes Bild, das Betrachtern auf der ganzen Welt Gänsehaut geben sollte.
Am Morgen nach der Hinrichtung kam das Foto auf die Titelseite der New York Daily News. Darunter nur ein einziges Wort: DEAD! Wer da starb und warum, musste den Lesern nicht mehr erklärt werden.
Tom Howard erhielt einen Bonus von 100 USD für das Bild. Jahrzehntelang musste jeder, der an einer Hinrichtung teilnahm, seine Hosenbeine für Kamerakontrollen heben.
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