New York war immer schon eine Stadt großer demografischer Veränderungen und ein Ort, wo arm und reich oft ganz eng zusammenleben. Ausgezeichnet sieht man das, wenn man die Gegend rund um die Ecke 16th Street und 9th Avenue in Manhattans Chelsea Viertel betrachtet.
Auf der südlichen Seite befindet sich der Chelsea Market, eine alte Nabisco-Keksfabrik, die zu einer Kombination aus Markthalle und edlen Büros wurde, alles mit industriellem Schick und dem kompletten Erhalt der Außenfassade. Etwas östlich ist das New Yorker Google Hauptquartier, daneben das Dream Hotel, ein hippes 5-Sterne Haus, etwas westlich gibt es einen Eingang zur High Line, ein Park auf einer stillgelegten Güterzugtrasse, der in den vierzehn Jahren seit seiner Eröffnung zu einem Magneten für Bescher aus der ganzen Welt wurde. Gleich daneben ist Little Island. Die künstlich angelegte Insel ist eine der neuesten Erholungsflächen in New York.
Die Liste mit dem, was die Gegend zu bieten hat, ließe sich lange fortsetzen. Die Attraktivität schlägt sich unter anderem in den Mietpreisen nieder. Laut Immobilienseiten wie Renthop zahlt man bei einem neuen Vertrag für ein Einzimmerapartment, hier Studio genannt, um die 4100 USD im Monat. Auch Unterkünfte sind teuer. Für einen 5-tägigen Aufenthalt für die zufällig gewählten Daten, 7. bis 12 August 2024, berechnet das Dream Hotel 3.303 USD für das günstigste Zimmer.
Statt dem schicken Luxus von heute hätten Besucher in den frühen 1960er-Jahren hier ein Gewerbeviertel erlebt, das seine besten Zeiten hinter sich hatte. Ein Beispiel wäre die Schließung der Nabisco Keksfabrik und die Umwandlung des Gebäudes zu einer Lagerhalle 1960. Als Chelsea Market sollte die Immobilie später einmal 2,4 Mrd. USD wert sein. Die High Line war damals noch kein Park, sondern eine aktive Güterbahntrasse, die Fleisch von den Piers in den Meatpacking District lieferte.
Zu dieser Zeit machte sich die Stadt New York auf die Suche nach einem großen Stück Bauland, um einen Sozialwohnungskomplex zu errichten. Der Bereich zwischen der 16. und 19. Straße und der 9. und 10 Avenue in Manhattan erwies sich als geeignet, weil bestehende Immobilien relativ leicht gekauft und abgerissen werden konnten.
In den nächsten drei Jahren wurden elf Wohngebäude mit 945 Wohnungen errichtet. Der Komplex wurde 1965 eingeweiht und nach Robert Fulton, der als einer der Erfinder des Dampfschiffes gilt, benannt.
Die durchschnittliche Miete in den Fulton Houses liegt heute bei unter 800 USD. Alle Wohnungen sind größer als ein Studio, das als Beispiel für einen Marktpreis von 4.000 USD pro Monat bei neuem Vertrag in der Gegend gegeben wurde. Circa 2.200 Menschen leben in dem Komplex, zum Großteil Afro-Amerikaner.
Wie koexistieren die verschiedenen Gruppen miteinander? Das kann man nur subjektiv beantworten und Meinungen gehen bei sozialen Themen fast immer auseinander. Mein Eindruck, der sich in meinen 32 Jahren in New York geformt hat, ist, dass es sich um ein paralleles Leben mit wenig Gemeinsamen handelt.
Vielen der Menschen außerhalb der Fulton Houses ist, wenn sie nicht schon länger in der Gegend wohnen, wahrscheinlich nicht einmal klar, dass sie in der Nähe eines der großen Sozialwohnungskomplexe leben, Besucher wissen das sowieso nicht. Von der Seite der Bewohner der Fulton Houses betrachtet kann man annehmen, dass nur wenige der Bewohner Zugang zu der Hipness und dem Luxus, für das Chelsea 2023 weltweit steht, haben und auch nicht unbedingt haben wollen.