Der Grand Central Terminal – Beeindruckendes, Skurilles und Verborgenes zu New Yorks architektonischer Perle

Foto – Tom Wilkins

Der Grand Central Terminal in Manhattan ist sicher einer der schönsten Bahnhöfe der Welt. Der größte, wenn man die Anzahl an Plattformen (44) und Gleisen (67) auf ihren zwei Ebenen zugrunde legt, ist er auf jeden Fall. Eine halbe Million Menschen besuchen den Bahnhof an einem typischen Tag.

Fertiggestellt wurde der Bahnhof 1913 zu den damals astronomischen Kosten von 29 Mio. USD. Bis in die 1960er-Jahre hatte er viel von seinem Glanz verloren und wäre 1975 beinahe abgerissen worden, um Platz für einen Bürokomplex zu machen. Jaqueline Kennedy Onassis kämpfte zusammen mit der Gruppe ‘Municipal Art Society’ erfolgreich für den Erhalt.

Ikonisches Foto von Alfred Stieglitz aus dem Jahr 1929 – Die Sonne kann heute nicht mehr so durch die Fenster scheinen, da heute rund um die Grand Central Station hohe Bauten stehen.

1996 begannen mehrjährige Arbeiten, um den Bahnhof komplett zu restaurieren und die Grand Central Station ist seitdem in der Meinung vieler New Yorker und Besucher schöner denn je.

Die Grand Central Station ist in vieler Hinsicht faszinierend.

Hier sechs kurze Geschichten, die von einem geheimen Gleis unter dem Bahnhof, bis zum teuersten Infrastrukturprojekt in der US-Geschichte, das derzeit verwirklicht wird und bei dem die Station eine wichtige Rolle spielt, reichen.

Das geheime Gleis unter dem Grand Central Terminal

Track 61 mit FDRs Wagen im Jahr 2015 – Foto Sam Horine

Track 61 ist eines der 67 Gleise, die zum Grand Central Terminal gehören. Es befindet sich jedoch nicht wie die anderen 66 auf dem Bahnhofsgelände, sondern unter dem mehrere Blocks entfernten Waldorf Astoria Hotel. Von den 1930er bis zu den 1960er-Jahren ermöglichte es Track 61 Gästen, die auf Privatsphäre Wert legten und eigene Eisenbahnwagen hatten, direkt unters Hotel zu fahren. Von da ging es mit einem Lastenaufzug ins Gebäude.

Der berühmteste Nutzer von Track 61 war Präsident Franklin Delano Roosevelt oder kurz FDR – das Kürzel, unter dem er in den USA bekannt ist. Roosevelt, der von 1933 bis 1945 Präsident war, schaffte es – in der heutigen Zeit wohl undenkbar – seine starken Behinderungen (Folgen einer Polioerkrankung) während seiner zwölf Jahre als Präsident weitgehend vor der amerikanischen Öffentlichkeit zu verbergen. Bei seinen Besuchen in New York stieg er stets im Waldorf Astoria ab. Dass er das Hotel betreten konnte, ohne am Eingang von Presse oder Passanten gesehen zu werden, war ein weiterer Bonus.

Pop-Künstler Andy Warhol ließ 1965 auf Track 61 ein legendäres Fest steigen, das er passenderweise ‘Underground Party‘ nannte.

In den 60ern begann der Verfall des Grand Central Terminal, auch Track 61 war davon betroffen. Es wurde seit dieser Zeit nicht mehr benutzt und auch nicht in die grandiosen Renovierungsarbeiten in den 1990er-Jahren einbezogen, die das Gebäude wieder im alten Glanz erstrahlen ließen. Das Gleis und auch FDRs Eisenbahnwagen stehen aber immer noch unter dem Waldorf Astoria.

Was hat es mit dem geheimnisvollen Flüstergewölbe im Grand Central Terminal auf sich?

Auf der unteren Ebene des Terminals direkt vor der berühmten Oyster Bar befinden sich vier gewölbte, quadratisch angelegte Bogengänge. Wenn man in einen von ihnen auch nur leise hineinflüstert, kann die Person, die am diagonal gegenüber gelegenen Bogengang steht, das Gesagte deutlich hören – trotz mehr als 9 m Entfernung und des oft hohen Lärmpegels. (Was die physische Erklärung für dieses Phänomen ist, ist unten nachlesbar).

Dieser Teil der Grand Central ist nicht nur in Sachen Akustik etwas ganz Besonderes, sondern auch ästhetisch sehr ansprechend. So wurden die beeindruckenden Fliesenarbeiten von dem renommierten spanischen Kunsthandwerker Rafael Gustavino in dem später nach ihm benannten Stil geschaffen.

Die legendäre Oyster Bar – Foto Ann Willis

Auch anderswo auf der Welt gibt es bekannte Flüstergewölbe oder Whispering Galleries, wie man sie auf Englisch nennt, z. B. in der Saint Paul’s Cathedral in London, im Mormon Tabernacle in Utah oder im Gol Gumbaz Mausoleum in Indien. Vielleicht wurden über die Jahre auch dort einige Heiratsanträge ins Gewölbe geflüstert, wie im Grand Central Terminal.

Der korrekte Name ist Grand Central Terminal, nicht Grand Central Station

Die Bezeichnungen “Grand Central Station” und “Grand Central Terminal” werden oft synonym verwendet, aber Letzteres ist der korrekte Name für das Gebäude, der auch in allen offiziellen Schriften und im Bahnhof selbst erscheint.

Grund: Eine Train Station ist in den USA eine planmäßige Haltestelle entlang einer Zugstrecke. An einem Train Terminal beginnen oder enden Fahrten, wie es beim Grand Central Terminal der Fall ist.

Auf der Decke des Grand Central Terminals gibt es einen kleinen, braunen Fleck mit ganz besonderer Bedeutung

Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung und des Niedergangs begannen 1996 mehrjährige Arbeiten um den Grand Central Terminal, New Yorks schönsten Bahnhof, komplett zu restaurieren.

Auch die riesige gewölbeartige Decke des Bahnhofs wurde äußerst sorgfältig gereinigt – bis auf ein kleines Stück.

Eine der aufwendigsten und arbeitsintensivsten Aufgaben war die Reinigung der Decke. Hier hatte sich über die Jahrzehnte ein klebriger, brauner Belag gebildet. Er bestand aus Schmutz, Ruß, den die Züge von sich gaben, aber vor allem aus Tabakfestsetzungen. Von der Fertigstellung des Grand Central Terminals 1913 bis in die 1990er-Jahre wurden hier Millionen über Millionen von Zigaretten geraucht, deren Schwaden nach oben stiegen.

Wie bei den anderen Bereichen des Projekts gab es auch bei der Reinigung der Decke beeindruckende Ergebnisse. Nach Abschluss der Restauration erstrahlte sie förmlich in neuem Glanz. Ein kleines Stückchen des Belags wurde aber nicht entfernt, damit es eine Vergleichsmöglichkeit mit dem Zustand vor den Arbeiten geben würde. Der circa 25 x 14 cm große Fleck dokumentiert auch eine Zeit, in der viel mehr Menschen rauchten und Tabakgenuss fast überall möglich war. Er befindet sich in der Nähe der nordwestlichen Ecke, wo das himmlische Blau des Deckengemäldes auf den Marmor trifft.

Persönliche Suite eines Familienfreundes der Vanderbilts im Grand Central Terminal ist heute die Bar Campbell Apartment

Zu Zeiten von John Campbell

John W. Campbell war ein höchst erfolgreicher Finanzier. 1923 überließen ihm die Vanderbilts, die federführende Familie bei der Errichtung des Bahnhofs, als einzige Person dort Räumlichkeiten zur persönlichen Nutzung.

Heute

Nach Campbells Tod 1957 wurde die Suite für verschiedene Zwecke verwendet, von der Verstauung von Anlagen bis zur Nutzung als Gefängnis. 1999 wurden die Räumlichkeiten unter weitgehender Beibehaltung des alten Interieurs zur Bar Campbell Apartment umgebaut.

Ein Besuch dort ist ein bisschen wie eine Reise zurück in die Welt der Oberschicht während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campbell lebte nie dort, sondern nutzte die Räumlichkeiten als Büro, aber die Barbetreiber dachten wohl, dass Campbell Apartment besser klingt als Campbell Office.

Im Grand Central Terminal kann man Tennis spielen

Im obersten Stockwerk des Bahnhofs befindet sich der Vanderbilt Tennis Club. Er verfügt über einen großen Tennisplatz und zwei kleinere.

Die zwei kostbaren Uhren

Zu der Zeit, als der Grand Central Terminal gebaut wurde, war wenig wichtiger für den Betrieb eines Bahnhofs als öffentlich sichtbare, akkurate Uhren.

An der Außenfassade des Terminals befindet sich die größte Tiffany-Uhr der Welt mit einem Durchmesser von 4,5 m. Sie besteht aus Messing und Buntglas und ist von einer schweren Statue umgeben, die die römischen Götter Merkur, Herkules und Minerva darstellt und vom französischen Künstler Jules-Félix Coutan entworfen wurde.

In der Haupthalle befindet sich die weltbekannte, vierseitige Kugeluhr, die zu einem Symbol des Bahnhofs wurde. Die vier Zifferblätter bestehen aus in Messing eingefasstem Opal mit einer Eichel aus Messing, dem Symbol der Vanderbilts, der Familie, die hinter dem Bau des Terminals steht.

An den Fenstern gibt es versteckte Plattformen, auf denen man gehen kann

Die riesigen Fenster haben begehbare Plattformen, die jedoch nur von Mitarbeitern genutzt werden können.  

Grand Central Madison – Gewaltiger, neuer 11 Mrd. USD teurer Bahnhof wurde 2023 unter dem Grand Central Terminal eröffnet

Unter der alten Grand Central Station wurde ein komplett neuer Bahnhof gebaut. Das größte Projekt in den USA seit den 1950er Jahren, trotzdem haben selbst viele New York Interessierte noch nie davon gehört. Wir schrieben eine eigene Geschichte.

Irrer 108-stöckiger sanduhrförmiger Turm war 1954 über dem Grand Central Terminal geplant

In den 1950er-Jahren begann die New York Central Railroad, Besitzer des Grand Central Terminal, finanzielle Probleme zu bekommen. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Robert Young, war der Meinung, dass die Nichtnutzung der Luftrechte über dem Gebäude so sei, als würde man auf Ackerland im Wert von 100 Millionen Dollar sitzen und es nie bewirtschaften.

Young engagierte den weltbekannten Architekten IM Pei, um ein Komplex zu planen. Pei entwarf den ‘Hyperboloid’ – einen 108-stöckigen sanduhrförmigen Büroturm, der mit Abstand das höchste Gebäude der Welt gewesen wäre. Am Sockel sollte ein neuer, großer Bahnhof erstehen, der den Grand Central Terminal ersetzt hätte. Youngs Selbstmord im Jahr 1957 beendete jede Hoffnung auf das Gebäude.

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