Das New York Police Department (NYPD) ist ein so komplexes und manchmal widersprüchliches Gebilde wie die Stadt selbst.
Die Polizeibehörde, die das Bild New Yorks weltweit durch Film und TV mitgeprägt hat, wie kaum eine andere Organisation, ist in 77 Reviere und 300 Einheiten unterteilt. Inklusive Zivilangestellten arbeiten etwa 55.000 Männer und Frauen beim NYPD. Zum überwiegenden Teil sind es Streifenpolizisten, von denen 41 auf 10.000 Einwohner kommen, mehr als irgendwo sonst in den USA (im Landesdurchschnitt sind es 23). Zu jeder gegebenen Zeit sind tausende Beamte auf Patrouille. Das Budget des NYPD belief sich 2023 auf 5,83 Mrd. USD. Gewaltige Zahlen, aber die Anfänge der riesigen Behörde waren bescheiden.
Um 1830 herum begann New York explosionsartig zu wachsen. Auch die Anzahl armer Einwanderer, die in Fabriken schufteten und – oft unter elenden Bedingungen – in Mietskasernen hausten, stieg stark. Die grassierende Armut, die vielen Animositäten zwischen verschiedenen Einwanderergruppen, das Bandentum und die weit verbreitete Trunksucht bildeten einen Nährboden für Kriminalität. Raubüberfälle, Prostitution und Glücksspiel waren an der Tagesordnung und auch Morde waren keine Seltenheit. Ganz besonders betroffen hiervon waren die Hafengegend und das in der New Yorker Geschichte legendäre Five Points Slum.
Was es zu dieser Zeit an Ordnungshütern gab, bestand aus von Politikern ernannten und ungelernten Personen, die eine Art Wachdienst verrichteten. Die Mitglieder dieser milizartigen Organisation bekamen kein Gehalt, sondern wurden nach einer bestimmten Gebührenordnung bezahlt: Für Leistungen wie „Durchführung einer Verhaftung“ oder „Erteilung einer Geldstrafe“ gab es bestimmte Summen. In den Augen vieler führte dieses System dazu, dass es den Ernannten wichtiger war, sich Provisionen zu verdienen und den Politikern gefällig zu sein, denen sie ihren Job verdankten, als wirklich für Recht und Ordnung zu sorgen.
Angeregt durch das Beispiel Londons wurde um 1840 herum eine in Vollzeit beschäftigte, ausgebildete Polizeitruppe ins Leben gerufen, die Verbrechen effektiv bekämpfen und auch vorbeugend wirken sollte. 1845 wurde dann das NYPD offiziell gegründet. (Übrigens war eine der Aufgaben zu dieser Zeit, grabschändenden Medizinstudenten das Handwerk zu legen. Der Anfang der modernen Medizin führte zu einem großen Bedarf an Leichen zu Forschungszwecken, und Professoren verlangten diesen Dienst oft von ihren Studenten im Namen der Wissenschaft.)
Über die nächsten Jahrzehnte wurde das NYPD zur modernsten Polizei Amerikas, und es gab immer wieder Neuerungen, die zu ihrer Zeit in den USA (und manchmal weltweit) bahnbrechend waren. Beispiele sind die 1923 eingeführten, mit Funk ausgestatteten Polizeiwagen, die 1927 gegründete Lufteinheit mit kleinen Flugzeugen oder die Notfallrettungseinheit von 1930. Heutzutage ist das NYPD ausgerüstet, wie man es sonst fast nur bei Armeen sieht.
Hier ein Artikel zu New Yorks Polizeiautos über die Jahre.
Im Arsenal findet man 2024 unter anderem hochmoderne Helikopter, Boote, die radioaktive Materialien aufspüren können und die neuesten Maschinenpistolen. Unter den neuesten technischen Errungenschaften, die das NYPD einsetzt, ist das „Domain Awareness System“ laut einem Artikel in der New York Times, das größte, digitale Überwachungssystem der Welt: 7.000 Kameras, die Bilder an die Zentrale liefern, die dann bei Bedarf mit Gesichtserkennungssoftware ausgewertet werden können. Ein neuer Scanner kann an Strahlungen erkennen, ob jemand eine Waffe mit sich trägt. Das Sensorensystem „Shot Spotter“ kann Schüsse erfassen, auch wenn sie nicht von Bürgern gemeldet wurden, und zudem erkennen, von wo ein Schuss kam. Selbstverständlich sind heute auch Dronen im Einsatz.
Aber ebenso setzt man auf altbewährte Mittel: Man sieht in New York Polizisten auf Fahrrädern und Pferden, und um Bomben zu finden, werden neben elektronischen Spürgeräten auch Hunde eingesetzt – einige von ihnen übrigens aus Deutschland.
Geleitet wird das NYPD vom Police Commissioner. Er ist in vielerlei Hinsicht das „Gesicht“ der Polizei bei Bevölkerung und Medien. Es ist ein politisches Amt, zu dem man vom Bürgermeister ernannt wird. Obwohl die Kandidaten fast immer sehr erfolgreiche Polizeikarrieren durchlaufen haben, sind sie als Commissioner keine Polizisten mehr, sondern Zivilisten. Seit Juli 2023 hat Edward Caban das Amt inne.
Eine Aufgabe des NYPD ist die Bekämpfung des Terrorismus. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde eine spezielle Anti-Terrorismus-Einheit gegründet. Das NYPD ist wohl eine der wenigen Polizeibehörden, wenn nicht gar die einzige, die auch eine Art Geheimdienstfunktion ausübt. Eine handvoll Mitarbeiter sollen in anderen Ländern stationiert sein, um dort Informationen zu sammeln, die die Stadt vor terroristischen Übergriffen schützen sollen.
Die Arbeit des NYPD hat dazu beigetragen, dass New York mittlerweile die sicherste Metropole Amerikas ist. An der Frage, wie groß der Anteil der Behörde daran ist, scheiden sich die Geister. Die Kriminalität ging in den letzten 20 bis 30 Jahren in den meisten Großstädten Amerikas stark zurück, nicht nur in New York. Warum, kann niemand mit Sicherheit sagen, und bei den Experten gibt es verschiedene Theorien hierzu.
Tatsache ist: New York ist in punkto Kriminalität eine vollkommen andere Stadt als in den 1970-er und 1980-er Jahren. Beispielsweise gab es in den 1970-er Jahren durchschnittlich um die 3.000 Morde pro Jahr, 1990 waren es noch über 2.200. Im gerade vergangenen Jahr (2023) gab es 380 solcher Delikte.
Hier ein Link zu den aktuellen Verbrechensstatistiken.
Natürlich gibt es auch Problembereiche. Zum einen wäre da die Korruption im NYPD zu nennen. In den 1960-ern und frühen 1970-ern war sie auf dem Höhepunkt („Serpico“ mit Al Pacino und „Prince of the City“ sind zwei exzellente Filme zu diesem Thema). Deshalb wurde ein unabhängiger Ausschuss – der nach seinem vorstehenden Bundesrichter Whitman Knapp benannte Knapp Commission- damit beauftragt, die Korruption im NYPD zu untersuchen. Ihr Bericht von 1972 bestätigte, was die meisten New Yorker ohnehin schon wussten, politisch aber dennoch hoch explosiv war: Korruption war weit verbreitet und wurde in den Führungsetagen zumindest toleriert.
Einige Beispiele von schweren Verfehlungen, die in dem Bericht genannt wurden: Korrupte Polizisten des NYPD, im Volksmund „dirty cops“ genannt, haben regelmäßig Schweigegelder von Betreibern illegaler Unternehmungen kassiert, konfiszierte Drogen weiterverkauft, Prostituierte um Geld und Sex erpresst. Um den Konkurrenten eines mit diesen Cops verbündeten Drogenhändlers auszuschalten, wurde er schon einmal verhaftet und der nötige Beweis von den Polizisten selbst fabriziert.
Es ist schwer, die Korruption heute zu beziffern. Die Anzahl der offiziellen Fälle, in denen gegen Beamte ermittelt wurde, ist verhältnismäßig gering. Da Korruption jedoch praktisch immer zwischen Polizisten und Gesetzesbrechern stattfindet, wird wahrscheinlich nur ein Bruchteil davon bekannt. Als Normalbürger bekommt man hiervon nichts mit. Ein Bestechungsversuch auf dem Level, auf dem die meisten New Yorker Kontakt mit der Polizei haben, beispielsweise bei einer Verkehrskontrolle, würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verhaftung führen, aber es würde auch kaum jemand, der hier lebt, auf die Idee kommen dies zu wagen.
Was dem NYPD in den letzten Jahren vorgeworfen wird, ist das Schönen der Statistiken. Was eigentlich versuchter Mord sein sollte, wird zur gefährlichen Körperverletzung herabgestuft, Einbruch als „unerlaubtes Betreten“ verharmlost usw. Eine anonyme Befragung des Mulloy College von 2.000 NYPD-Ruheständlern vor einigen Jahren bestätigte, dass dies Teil der Kultur in der Behörde ist (das NYPD bestreitet jedoch die Aussagekraft dieser Umfrage und behauptet, ihre Methodik sei fehlerhaft gewesen).
Ein Thema, das vielen Sorge bereitet, ist das Verhältnis des NYPD zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Es gibt in New York oft eine ziemlich unterschiedliche Meinung zum NYPD, je nachdem, wen man fragt. Die meisten Weißen, wenn auch nicht alle, haben eine positive Einstellung der Behörde gegenüber. Ein Teil ist nahezu enthusiastisch und betrachtet die Polizeibeamten als Helden. Schwarze und Hispanier dagegen haben oft weniger gute Erfahrungen mit dem NYPD gemacht, sie klagen über Diskriminierung und berichten von rassistischem Verhalten der Beamten.
Der Fall von Sean Bell, der 2007 Stadtgeschichte schrieb, illustriert immer noch sehr gut wie verschiedene Bevölkerungsgruppen die Arbeit des NYPD oft wahrnehmen. Der schwarze New Yorker starb in einem Kugelhagel von 50 – von Polizisten abgegebenen – Schüssen. Die Umstände konnten nie ganz geklärt werden. Die Beamten gaben zu Protokoll, sie hätten geglaubt, Bell wolle sie mit einer Pistole angreifen, eine Waffe wurde aber nie gefunden.
Obwohl niemand wirklich weiß, was damals passierte, und alle über dieselben Informationen zur Schießerei verfügten, nahmen viele Weiße an, dass die Polizeibeamten (die übrigens selbst Latinos und Schwarze waren) nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatten, während fast alle Schwarzen und viele der Latinos meinten, die Schüsse seien eine Überreaktion gewesen und einige von ihnen die beteiligten Polizisten sogar „Mörder“ nannten (die Beamten wurden später vor Gericht freigesprochen).
Heute, 17 Jahre später, ist die Polarisierung eher noch noch stärker. Vor dreieinhalb Jahren zeigten die durch den Mord an George Flloyd ausgelösten Black Lives Matter Proteste wieviel Unbehagen gegenüber dem NYPD es bei vielen Bürgern gibt.
Glücklicherweise geschieht es höchst selten, dass Polizisten Menschen erschießen oder selbst mit einer Pistole angegriffen werden. Die Mehrzahl der Beamten haben noch nie ihre Schusswaffe benutzt, wie in dem Bericht hier nachzulesen ist.
Die riesige Organisation – übrigens mit einem Frauenanteil von circa 18 Prozent – hat ihren Preis. Das Budget der Behörde (Kosten für Pensionen nicht eingerechnet) belief sich, wie eingangs erwähnt, 2023 auf 5,8 Mrd. USD. Der Großteil sind die Bezüge der Beamten. Der durchschnittliche Polizist verdient um die 100.000 Dollar im Jahr, nachdem er etwa sechs Jahre zur Truppe gehört – ein Gehalt, von dem ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung New Yorks nur träumen kann. Darin enthalten sind noch keine Vergütungen für Überstunden, durch die sich die Bezüge sogar noch um bis zu 20% oder gar 30% erhöhen lassen. Es gibt exzellente Sozialleistungen und eine starke Gewerkschaft, die sicherstellt, dass Beamte nahezu nicht entlassen werden können, wenn sie nicht den sprichwörtlichen silbernen Löffel stehlen.
Polizisten können nach 20 Dienstjahren in Rente gehen und erhalten dann 50 Prozent ihres ursprünglichen Einkommens steuerfrei für den Rest ihres Lebens. Daher gibt es durchaus einige „Rentner“ Mitte 40, die die Freiheit besitzen, andere Jobs zu machen (was sie auch tun, oft im Bereich Firmensicherheit).
Das NYPD- eine Polizeibehörde, die genau so komplex und manchmal widersprüchlich ist, wie die Stadt, der sie dient.