Im 19. Jahrhundert entwickelten die Vereinigten Staaten den Ruf als „Land der Freiheit“ und wurden zum weitaus beliebtesten Ziel deutscher Auswanderer. Im Gegensatz zu Deutschland, das einen Überschuss an Arbeitskräften hatte, mangelte es in den rasch empor strebenden USA an arbeitsfähigen Menschen. Auch die Erzählungen über das angeblich wunderbare Leben in der neuen Welt führten dazu, dass das Land eine immer stärkere Anziehungskraft, vor allem auf junge Menschen, ausübte. Das Wort von der „goldenen Zukunft“ in den USA machte die Runden, obwohl natürlich nicht alles, was man so hörte, der Realität auf der anderen Seite des Atlantiks entsprach.
Zwischen 1820 und 1870 kamen rund siebeneinhalb Millionen deutsche Einwanderer, in mehreren großen Wellen, in den USA an. Viele ließen sich in New York nieder. 1860 lebten schon über 100.000 Immigranten aus Deutschland in der Stadt. Es gab rund 20 Kirchen, zehn Buchläden und zwei Tageszeitungen, die von Deutschen betrieben wurden. Dreißig Jahre später hatte sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt und im Jahr 1910 sagte man, New York sei die größte deutsche Stadt nach Berlin und Hamburg – etwa 600.000 Deutsche lebten nun hier.
Das erste Mal, dass die Einwanderer amerikanischen Boden unter die Füße bekamen, war jahrzehntelang die Aufnahmestation Ellis Island im New Yorker Hafen. Hier entschied sich, wer von den durch wochenlange Strapazen oft geschwächten Menschen einreisen durfte und wer nicht. Fast allen wurde jedoch Einlass gewährt. Nur wer körperlich oder psychisch offensichtlich sehr krank wirkte, ging ein Risiko ein, wieder in ein Schiff zurück zu müssen. Durch Ellis Island sind zwischen 1892 und 1954 rund 12 Millionen Menschen in die USA eingewandert. Die Aufnahmestation ist heute ein eindrucksvolles Museum, dass den Geist der Zeit hervorragend einfängt.
Obwohl sie eine gewaltig lange Reise hinter sich hatten, ließen sich viele der Neuankömmlinge nur wenige Kilometer von Ellis Island, im Manhattaner Viertel ‘Lower East Side‘, nieder. Die Menschen lebten in Mietshäusern (sogenannten Tenements) oft in Bedingungen, wie sie heute fast schon unvorstellbar sind – mit 8 oder 10 Leuten in einer kleinen Wohnung mit primitivster sanitärer Ausstattung. Die Lower East Side war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die am dichtest besiedelte Wohngegend der Welt und es kann sein, dass das Viertel den Rekord auch heute noch hält. Eines der Mietshäuser aus der Zeit, 97 Orchard Street, wurde zum sehenswerten “Tenement Museum” umgebaut. Hier lebten seit der Fertigstellung 1863 über 7.000 Immigranten.
Das Nachbarviertel East Village, rund um den Tompkins Square Park, war ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Zentrum von “Little Germany”, der damals ersten nicht primär englischsprachigen Viertel in den USA. Viele Deutsche wohnten nach ihrer Überfahrt erst einmal dort. Das Ziel war dann nach einer Zeit weiter zu ziehen. Viele blieben aber in Kleindeutschland hängen, vielleicht auch wegen dem reichhaltigen deutschen Leben mit Kirchen, Kneipen und Veranstaltungen. Ab dem spätem 19. Jahrhundert befand sich Little Germany aber im Niedergang und der Untergang des Ausflugsdampfers General Slocum im Jahr 1904 gab dem Viertel den Todesstoß. Hier ein Artikel zum Thema.
Mehr und mehr wurde dann Yorkville auf Manhattan’s Upper East Side das Viertel der Deutschen und bald als ‘Germantown’ oder ‘Little Germany’ bekannt. Auch vor dem Niedergang von Kleindeutschland zogen Menschen schon von dort nach Yorkville, weil es eine attraktivere Wohngegend war. (Yorkville ist der Teil der Upper East Side zwischen 79th und 96th Streets und der Third Avenue und dem East River). Die Hauptstraße von Yorkville, die 86th Street, wurde damals auch ‚German Broadway‘ und ‚Sauerkraut Boulevard‘ genannt.
Auch heute gibt es dort noch einige wahrnehmbare Spuren der deutschen Geschichte. Seit 1937 versorgt der Familienbetrieb “Schaller & Weber” auf der 86th Street die Bewohner von Yorkville (und heute auch ganz Amerika per Online-Shop) mit selbstproduzierten Wurstwaren oder Spätzle. Heidelberg ist eines der ältesten deutschen Restaurants in New York. “Glaser’s Bakery”, die von den deutschen Einwanderern Justine und John Glaser 1902 gegründet wurde, versorgte New Yorker 116 Jahre mit Backwaren. Leider schloss sie 2018. Hier ein Artikel zu Germantown.
Die große Steuben Parade, die den Beitrag deutscher Einwanderer bei der Entwicklung Amerikas feiert, findet jedes Jahr ihren Abschluss in Yorkville.
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