Viele New Yorker stiegen in den Pandemiejahren von der U-Bahn auf E-Bikes, Scooter und Roller um (nachfolgend ESRs genannt). So sollte das Risiko einer Covid 19 Ansteckung in den öffentlichen Verkehrsmitteln vermindert werden. Bald merkten die Menschen auch, wie schnell man sich in einer Zeit, in der die Straßen oft leer waren, so durch die Stadt bewegen konnte. Ein Trend, den es auch vorher schon gab, nahm so richtig Fahrt auf und verstärkte sich in den zwei Jahren seit der Pandemie noch weiter.
Mittlerweile sieht man buchstäblich jede Bevölkerungsgruppe auf den ESRs und sie werden für jeden erdenklichen Zweck eingesetzt: Büroangestellte, die zur Arbeit fahren, Eltern, die ihre Kinder in die Schule bringen, ältere Damen, die sie als schnelle Fortbewegungsart entdeckt haben und junge Leute, die gerne mal durch die Straßen rasen. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Die mit Abstand größte Gruppe sind die circa 70.000 Auslieferer, die für App-Lieferdienste wie Doordash, Grubhub oder ChowNow, vor allem Essen, durch die Straßen fahren. Es könnten mittlerweile erheblich mehr sein, da viele der ungefähr 200.000 Migranten, die in den letzten zwei Jahren nach New York kamen, in der Branche arbeiten.
In der Meinung vieler New Yorker fahren die Menschen auf den ESRs oft zu schnell, im Zickzack, in die falsche Richtung und riskieren leichtfertig, mit anderen Verkehrsteilnehmer, vor allem Fußgängern zu kollidieren, um schnellstmöglich von A nach B zu gelangen. Man muss auch wirklich nur ein paar Minuten an einer Straßenecke in Manhattan stehen, um Verstöße gegen so ziemlich jede Verkehrsregel beobachten zu können.
Es gibt einige Bemühungen, das Chaos einzudämmen. Janet Schroeder und Pamela Manasse, die 2022 von einem E-Bike angefahren wurde und eine schwere Hirnverletzung davontrug, gründeten die Gruppe NYC E-Vehicle Safety Alliance, die sich für schärfere Regelungen einsetzt. So sollen ESRs aus Parks und Grünanlagen verschwinden und es soll bessere Überwachung bei Registrationen und Anmeldungen geben, denn bei fast allen der 74 Unfallopfer, die der Organisation angehören, flohen die Fahrer sofort und nur ein paar wenige konnten später ausfindig gemacht werden.
Auch das New York Police Department (NYPD) wurde aktiv. Im gesamten Jahr 2023 beschlagnahmten die Polizisten um die 18.000 nicht regelkonformer ESRs. Dieses Jahr wurden bereits mehr als 13.000 konfisziert, sodass sich die Gesamtzahl seit Anfang 2022 auf fast 42.000 beläuft.
Die Fahrer sind sicher nicht die einzigen Schuldigen an der Situation, und nicht nur Täter, sondern oft auch Opfer.
Es ist im Interesse der Liefer-Apps, dass ihre Arbeiter sich möglichst schnell durch die Straßen der Stadt bewegen – wenn ein Auslieferer “zu lange“ braucht, kann es sich negativ auf die Zuteilung weiterer Lieferungen auswirken. Der Algorithmus der App ist darauf ausgerichtet Druck auf die Fahrer auszuüben. (Bei der Recherche für diesen Artikel stieß ich auf keine Bemühungen der Unternehmen, den Fahrern irgendwie im Bereich Sicherheit zu unterstützen.) Die City University of New York veröffentlichte kürzlich eine Studie, welche erhebliche Risiken Arbeiter für die App Lieferdienste ausgesetzt sind. Menschen, die zur Bestreitung US-Lebensunterhalts auf den ESRs sitzen, sind natürlich nicht die einzigen, die sich gefährlich verhalten. Auto-, Lkw und andere ESR-Fahrer gehören genau so dazu.
Was ist zu tun?
Samuel I. Schwartz, der ehemalige ‚Traffic Commissioner‘ (in etwa städtischer Verkehrsminister) glaubt, dass bessere Planung und mehr Rücksicht nötig sind, um den Boom bei den ESRs anzugehen. “Verkehrsteilnehmer müssen sich gegenseitig respektieren und die Regeln einhalten. Wir brauchen aber auch bessere Stadtplanung. Unsere Straßen sind nicht für die ESRs gemacht, und wir müssen uns systematisch überlegen, wie wir sie besser anpassen können. Das ist wichtig, denn ich glaube, es werden immer mehr werden. Auch die Erwartungen der Menschen, alles möglichst sofort und bequem die Haustür geliefert zu bekommen, spielt eine große Rolle. Ohne sie würden Tausende dieser Fahrzeuge nicht durch die Straßen jagen.”