Kunst in der New Yorker U-Bahn

Foto Og Mueller

Wenn Kunstliebhaber nach New York kommen, planen sie häufig viele Besuche: das Metropolitan Museum of Art, das Museum of Modern Art, das Guggenheim oder eines der vielen anderen tollen Museen und Galerien der Stadt. Die Fortbewegung – so wissen sie – ist am besten mit der U-Bahn zu bewältigen bzw. mit der Subway, wie sie hier heißt. Nur wenigen von ihnen und auch wenigen New Yorkern ist bewusst, dass die U-Bahn selbst reichhaltigen Kunstgenuss bietet.

In den einzelnen Bahnhöfen findet man eine Vielfalt von Werken: von Arbeiten renommierter Künstler wie Roy Lichtenstein oder Sol LeWitt, die auf dem Kunstmarkt Millionen Wert wären, bis hin zu Werken von Schulkindern. Diese „Untergrund“-Kunst ist so vielseitig wie New York.

Das Geld, unter anderem für die Kunst, ist zum großen Teil dank des „1 Percent for Art“ Gesetzes vorhanden. Dieses Gesetz wurde vor 30 Jahren verabschiedet und besagt, dass bei allen öffentlichen Bauvorhaben – zu denen unter anderem auch die Renovierung der U-Bahnhöfe gehört – ein Prozent des Budgets für Kunst ausgegeben werden muss.

Richtig geklotzt hat man kunstmäßig bei der Second Avenue Subway, der teuersten U-Bahn Strecke aller Zeiten, die Silvester 2019 zwei Jahre alt wird. Zur Kunst dort gibt es einen eigenen Teil am Ende des Artikels mit der Überschrift ‘Kunst in der Second Avenue Subway‘.

Hier einige nach Vielseitigkeit ausgewählte Werke und wo sie zu sehen sind:

Jack Beal – The Onset of Winter – The Return of Spring – 1999

Foto Ed Dorsey

Times Square Station (U-Bahn-Linien 1, 2, 3, N, Q, R, 7, S) – Manhattan

Roy Lichtenstein – Times Square Mural – 1994

Der amerikanische Künstler malte zwei New Yorker Straßenszenen für die größte U-Bahn-Station der Stadt. Die Werke wurden von der italienischen Mosaiklegerwerkstatt Travisanutto in Mosaiken umgewandelt.

Foto Kim Frankl

Times Square Station (U-Bahn-Linien 1, 2, 3, N, Q, R, 7, S) – Manhattan

Dieses über 16 Meter lange Wandgemälde ist in dem für Lichtenstein charakteristischen Comic-Stil gehalten. Es zeigt die Vergangenheit und Zukunft der Fortbewegung in New York, wie Lichtenstein sie sich vorstellte. Die Bilder reichen vom U-Bahn-Vorläufer des 19. Jahrhunderts bis zum hypermodernen Zug-Raumschiff-Hybriden. „Times Square Mural“ war ein bezahlter Auftrag der Stadt, aber Lichtenstein schenkte das Werk seiner Heimatstadt.

Robert Wilson – My Coney Island Baby – 2004

Ein Teil von Coney Island Baby – Foto Susan McCauley

Coney Island/Stillwell Avenue Station (U-Bahn-Linien D, F, N, Q) – Brooklyn

Robert Wilson – einer der bekanntesten Theaterkünstler der Welt – schuf diese fast 100 Meter lange und über 5 Meter hohe Wand aus Glasziegeln. Thema der Arbeit ist Coney Island, der legendäre Atlantikstrand und Vergnügungspark, eine Gegend, die übrigens in den letzten Jahren viele Veränderungen erfahren hat. Die Motive auf der Wand – Hotdog, Achterbahn, Karussell-Pferd, Kinder am Strand und Leute auf der Strandpromenade – stammen alle von historischen Postkarten.

Robert Kushner – 4 Seasons Seasoned – 2004

77st Street Station (U-Bahn-Linie 6) – Upper East Side – Manhattan

Robert Kushner ist bekannt für seine opulenten Werke mit Blumenmotiven. Dieses Mosaik zeigt japanisch beeinflusste Blumendarstellungen- ein Sujet, mit dem sich der Künstler in vielen seiner Werke beschäftigt, von denen man einige im nur ein paar hundert Meter entfernten Museum of Metropolitan Art finden kann.

Sol LeWitt – Whirls and Twirls – 2009

Columbus Circle Station (U-Bahn-Linien 1, A, B, C, D) – Midtown – Manhattan

Die Arbeit des berühmten Konzeptkünstlers erzeugt ein Farbenschauspiel aus 520 Porzellankacheln. Eine leicht andere Version dieses Werks hängt im Metropolitan Museum of Art.

Elizabeth Murray – Blooming – 1996

Foto Ellen Davidson

59th Street Station (im Verbindungsgang zwischen den Bahnsteigen der U-Bahn-Linien 4, 5, 6 und N, R) – Midtown – Manhattan

Elizabeth Murray ist eine der sehr wenigen Frauen, denen eine eigene Retrospektive im berühmten Museum of Modern Art gewidmet wurde. Wenn man dieses Werk sieht, kann man verstehen, warum. Das Mosaik „Blooming“ bedeckt alle vier Wände des Verbindungsgangs. Die Darstellung von Bäumen bezieht sich auf den alten Namen des Viertels „Bloomingdale“. Das gleichnamige Kaufhaus befindet sich genau über der Station. Aus den Kaffeetassen und Schuhen fließen Zeilen von Gedichten der amerikanischen Dichter Delmore Schwartz und Gwendolyn Brooks.

Al Loving – Brooklyn, New Morning – 2001

Foto Susan McCauley

Broadway/East New York (Broadway Junction) Station (U-Bahn-Linien J, Z, L, A, C) – Brooklyn

Diese Bleiglasarbeit besteht aus 70 farbigen Scheiben mit geometrischen Mustern und Spiralen. Wenn die Sonne durch die Scheiben fällt, werfen sie diese Muster auf die Gesichter der oft gehetzten Menschen, die durch die Station laufen. Loving, der 2005 starb, war ein bekannter abstrakter Künstler, dessen Arbeiten man im Metropolitan Museum und im Whitney Museum findet.

Tom Otterness – Life Underground – 1994

Foto Og Mueller

8th Avenue & 14th Street Station (U-Bahn-Linien A, C, E, L) – Chelsea – Manhattan

„Life Underground“ – gut 140 Miniatur-Bronze-Skulpturen – ist eines der verspieltesten und beliebtesten U-Bahn-Kunstwerke in New York. Sein Thema, so der Künstler, sei die Unmöglichkeit, New York zu verstehen. Krokodile kommen – der alten Legende entsprechend – aus der Kanalisation und schnappen nach Passanten, und eine gigantische Ratte sitzt auf einem Geldsack und knabbert an einer Münze. Die Motive haben Comic-Charakter, aber oftmals auch einen politischen Hintergrund. Inspiration für Skulpturen wie den Geldsack komme, so Otterness, vom englischen Karikaturisten und politischen Satiriker Thomas Nast, der im 19. Jahrhundert wirkte.

Ellen Harvey – Look Up Not Down – 2005

Foto Rick Page

Queens Plaza Station (U-Bahn-Linien E, F, G, R) – Queens

Dieses Glasmosaik der englischen Künstlerin zeigt die Skyline, wie man sie auf der Straße über der U-Bahn zur Zeit der Schaffung des Werks sah. Die Sonne ist dort positioniert, wo das World Trade Center bis zum 11. September 2001 stand. Harvey will, dass dieser „endlose“ sonnige Tag die U-Bahn-Passagiere optimistisch stimmt.

Raul Colon – Primavera – 2005

Foto Wikipedia Commons

191st Street Station (U-Bahn-Linie 1) – Washington Heights – Manhattan

„Primavera“ ist, was der Künstler, ein erfolgreicher Illustrator für Kinderbücher, eine „Farbwand“ nennt. Im Vordergrund sieht man ein tanzendes Paar, dahinter Kinder und einen Hund. Der Künstler sagte in einem Interview mit dem regionalen TV-Sender NY1 bei der Enthüllung: „Ich wollte die Station aufhellen und das Gefühl eines schönen Frühlingstags verbreiten. Die Bögen in der Station erinnerten mich an Renaissancebauten, deshalb haben die Kinder auch Engelsflügel, ein beliebtes Motiv zu der Zeit. Das Paar gehört unterschiedlichen Rassen an, weil das die Vielfalt der Menschen, die in Washington Heights leben, widerspiegelt.“

Béatrice Coron – Bronx Literature – 2006

Foto via Flickr

Burke Avenue Station (U-Bahn-Linien 2, 5) – Bronx

Diese Bleiglasarbeit kreist um das Leben von vier Autoren, die alle in der Bronx wohnten oder arbeiteten: Edgar Allan Poe, James Baldwin, Nicholasa Mohr und Sholem Aleichem. Bei dem Abschnitt, der Poe gewidmet ist, sieht man einen Raben, einen Vollmond und Seiten, die aus einem Buch fliegen.

Kunst in der Second Avenue Subway

Der erste Teil der Second Avenue Subway wurde nach jahrzehntelangem Hin und Her Silvester 2016 eröffnet (warum sich alles so schwierig und extrem teuer gestaltete, können Sie hier lesen.)

Wegen der sowieso immensen Kosten- da öffentliche Kunst mehr ‘in’ ist denn je und weil man durch Stationen, die viel größer und höher sind als die allermeisten alten Haltestellen ganz besondere Möglichkeiten zur Installation hatte- hat man sich entschieden bei der Kunst hier zu klotzen statt zu kleckern.

Vier Starkünstlern wurde jeweils eine der vier neuen Stationen überlassen, wo er oder sie hohe Mosaike oder andere Art von Keramikkunst anbringen konnten.

63rd Street/Lexington Avenue – Jean Shin – Elevated

Foto via Hyperallergic

Auf der ‚63rd Street‘ gibt es Werke von Jean Shin. Vorlagen für ihre Serie ‘Elevated‘ waren Bilder von Passagieren aus den 1920er, 30er und 40er Jahren, die sie im Stadtmusem ‚New York Historical Society‘ oder dem ‚New York Transit Museum‘ entdeckte. Eines der Mosaike zeigt auch den Abriss des Vorläufers der U-Bahn, den ‘Elevated Train‘, woher die Serie ihren Namen hat.

72nd Street – Vik Muniz – Perfect Strangers

Foto via Hyperallergic

Der brasilianische Künstler Vik Muniz wählte für ‘seine‘ Station- die 72nd Street- Menschen, die er in alltäglichen U-Bahn Situationen kennt. Unter anderem sich selbst mit Aktenkoffer, der sich versehentlich geöffnet hat und die Papiere um die Station fliegen lässt. Die Reihe nannte er ‘Perfect Strangers’

86th Street – Chuck Close – Subway Portraits

Selbstportrait von Chuck Close – Foto via HyperAllergic

Unter den vier Künstlern, die für die Second Avenue Subway beauftragt wurden, ist Chuck Close der weltweit bekannteste. Er übernahm die 86th Street, und installierte in seiner Reihe ‘Subway Portraits‘ Darstellungen anderer Künstler, die er persönlich kennt und kannte, wie den New Yorker Rocker Lou Reed, Kultfotografin Cindy Sherman und auch mehrere Selbstporträts.

96th Street – Sarah Sze – Blueprint for a Landscape

Foto via HyperAllergic

Die 96th Street bekam Sarah Sze. Sie nutzte ihre Gelegenheit dazu ein einziges, riesiges Werk zu schaffen. Ihr ‘Blueprint for a Landscape’ (Entwurf für eine Landschaft) zeigt urbane Elemente des New Yorker Lebens, wie die allgegenwärtigen Baugerüste, aber auch Vögel, Bäume und Blätter und Papiere, die durch die Luft fliegen. “Ich wollte, dass der Betrachter, oder besser Passagier, der sich durch die Station bewegt, von einem Werk begleitet wird, das sich auf gewisse Weise mit bewegt” so die Künstlerin, die auch Professorin an der Columbia University in New York ist.

https://newyorkaktuell.nyc/maskenpflicht/
https://newyorkaktuell.nyc/der-new-york-recovery-index-macht-die-wirtschaftlichen-auswirkungen-der-pandemie-leicht-verstandlich/