Elf Monate nachdem das Coronavirus anfing, sich in New York auszubreiten, sieht die Stadt sich gewaltigen Problemen gegenüber. Zugleich gibt es wieder Zeichen, die optimistisch stimmen.
In diesem zweiteiligen Artikel erfahren Sie heute, welchen sechs großen Herausforderungen sich New York gegenüber sieht. Nächste Woche erfahren Sie, was trotz allem für die Zukunft der Stadt optimistisch stimmt. (dieser Artikel jetzt auch online)
Die New Yorker Stadtfinanzen gerieten durch Corona stark ins Schleudern!
Nachdem der $92 Milliarden Dollar hohe Stadthaushalt jahrelang in guter Verfassung war und oft sogar beträchtliche Überschüsse erwirtschaftet werden konnten, änderte sich die Situation mit Corona schlagartig.
Die Stadt musste $5,2 Milliarden ausgeben, um auf die Pandemie zu reagieren, so das ‘Office of the City Comptroller‘. (Das Amt des Comptroller – das ist kein Schreibfehler – ist eine Art politisch unabhängiger, städtischer Rechnungshof.)
Große Posten waren Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, Nahrungsmittelsoforthilfe, Sondermittel für Schulen, Corona-Testzentren, Unterbringung von Menschen, vor allem medizinisches Personal und Obdachlose. $2,8 Milliarden zahlte der Bund, für den Rest muss die Stadt selbst aufkommen.
Zugleich verringern sich die Einnahmen, allen voran die ‘Property Tax‘ (Immobilienbesitzsteuer), die mit Abstand wichtigste Geldquelle der Stadt. 2019 brachte sie 31.8 Milliarden Dollar ein, 2020 waren es vier Milliarden weniger.
Obwohl es mit der neuen US-Regierung bessere Chancen auf Bundeshilfen gibt, werden sich schwierige, harte Entscheidungen, nicht vermeiden lassen.
Leere Bürotürme und Geschäftsviertel
In den Bürovierteln in Manhattan ist es immer noch ruhig. Erhebungen der ‘Partnership for New York City‘, einem bekannten Wirtschaftsverband, zufolge sind bis Anfang Februar weniger als 15 Prozent der mehr als eine Million Büroangestellten in New York an ihren Schreibtisch zurückgekehrt.
Das hat gewaltige Auswirkungen über den Immobilienmarkt hinaus. Man muss nur an die zahllosen Restaurants denken, die von den Berufstätigen leben, die mittags aus den Büros strömten. Man könnte die Liste der Betroffenen lange fortsetzen: Handwerker, Zulieferer, Putzdienste und viele, viele mehr.
Wie sehr die Arbeiter zurückwollen, ist unklar. In einer aktuellen Umfrage von Büroangestellten, die von der Consultingfirma Price Waterhouse Coopers in Auftrag gegeben, bezeichnete die überwiegende Mehrheit ‘Work from Home‘ als Erfolg, aber noch mehr finden den persönlichen Kontakt im Büro wichtig.
“Die allermeisten Mitarbeiter wollen ein hybrides System, mit zwei bis drei Tagen, an denen sie von zu Hause aus arbeiten und zwei bis drei Tagen, an denen sie ins Büro gehen”, so Deniz Caglar, Leiter der Umfrage. Eine “Zurück ins Büro” Aufbruchsstimmung ist derzeit aber nicht zu spüren und auch viele Firmen sind sich noch nicht klar, wie sie vorgehen sollen.
Nur Tech-Riesen wie Amazon und Facebook machten zuletzt noch große Deals. (Auch Apple ist Medienberichten zufolge auf der Suche). Die Unternehmen könnten laut Experten zu den großen Gewinnern der Krise gehören, da sie die Mittel haben, langfristig zu denken und jetzt Deals verhandeln können, die vor Ausbruch der Pandemie noch undenkbar gewesen wären.
Probleme bei der U-Bahn und anderem innerstädtischem Nahverkehr
Bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 stand die ‘Metropolitan Transit Authority‘ (MTA), Betreiber des Großteils des innerstädtischen Nahverkehrs vor gewaltigen wirtschaftlichen Problemen, die sich durch das stark fallende – zeitweise um 90% – Passagieraufkommen noch erheblich verschärft haben.
Für dieses Jahr erwartet die MTA ein Defizit von $6.3 Milliarden – mehr als die Hälfte des gesamten Budgets!
Die MTA ist nicht Teil der Stadt oder Staat New York, aber erhält erhebliche Gelder von beiden. Derzeit versuchen sich Bürgermeister Bill de Blasio und Gouverneur Andrew Cuomo den Schwarzen Peter bei der Bereitstellung weiterer Gelder zuzuspielen.
Die MTA wird in irgendeiner Weise über Wasser gehalten werden. Was die miserable finanzielle Situation in der Zukunft für den Service, besonders bei der U-Bahn bedeuten wird, macht den Menschen aber Sorgen.
Existenzkrise im Einzelhandel
Überall in New York sieht man leere Ladenlokale. Viele der Einzelhändler, die seit Ausbruch der Pandemie untergingen, waren schon vorher durch Faktoren wie einbrechender Einnahmen wegen Onlinekonkurrenz geschwächt. Corona gab ihnen den Todesstoß. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, sondern es ist wahrscheinlicher, dass sich die Situation weiter verschlechtert.
Diese Grafik von Bloomberg zeigt, wie sehr die Mieten angebotener Ladenlokale in Toplagen im 4. Quartal 2020 sanken. Selbst mit den neuen niedrigeren Mieten, bei denen es sicher auch noch Verhandlungsspielraum gibt, lassen sich derzeit kaum Objekte an den Mann bringen.
Gastronomie
Wenn man durch New York läuft, kommt es einem oft so vor, als ob in jedem zweiten Gebäude ein Restaurant ist. Das stimmt auch ein bisschen. Wenn man alles zählt von einer McDonald’s Filiale bis zum 5-Sterne Etablissement – gibt es nach Angaben der Stadt mehr als 20.000 Restaurants, dazu Tausende von Kneipen, und viele Clubs. Die Gastronomie ist eine der Branchen, die am stärksten unter Corona leidet.
Die meiste Zeit seit Ausbruch der Pandemie war es nicht erlaubt, in Innenbereichen zu essen, nur Lieferung und Abholung waren möglich. Um den Restaurants Linderung zu verschaffen, hat die Stadt einiges an neuen Platz auf Bürgersteigen und Straßenrändern zum draußen Essen freigegeben, was in den warmen Monaten sehr gut angenommen wurde und auch jetzt im Winter Anklang findet. (Momentan darf in den Innenbereichen wieder gegessen werden, bis zu 25% Kapazität.)
Viele Gaststätten kommen noch irgendwie über die Runden, was oft überrascht, wenn man sieht, wie wenig manchmal los ist. Tausende schafften es aber nicht und in der ganzen Stadt sieht man leere Restaurants mit ‘For Rent‘-Schildern, Tendenz steigend.
Tourismus
2019 besuchten nach Angaben des New Yorker Fremdenverkehrsamts NYC & Company gut 65 Millionen Menschen die Stadt, circa 13,5 Millionen von ihnen kamen aus dem Ausland – ein neuer Rekord.
Die Gäste gaben über 50 Milliarden Dollar aus. Der gesamte wirtschaftliche Beitrag – wenn man Investitionen wie Hotelneubauten mit einbezieht – liegt nach Berechnungen von NYC & Company bei über 70 Milliarden Dollar. 360.000 New Yorker verdienten demnach bis zum Ausbruch der Pandemie ihren Lebensunterhalt im Tourismus, der größten Wachstumsbranche der Stadt.
2020 fand mit Ausnahme von Januar und Februar, den traditionell schwächsten Monate im ganzen Jahr fast kein Fremdenverkehr statt. 200 der 716 Hotels in New York schlossen mittlerweile. Circa 80% der Menschen, die im Tourismus arbeiteten, wurde gekündigt, errechnete das ‘New York Department of Labor’, das für Arbeitslosenhilfe zuständig ist.
Im Moment herrscht große Verunsicherung in der Branche, selbst die Tourismusbehörde NYC & Company kündigte der Hälfte ihrer Mitarbeiter.
In New York gibt es immer Hoffnung!
Lesen Sie nächste Woche unseren Artikel ‘Trotz allem – was für die Zukunft New Yorks optimistisch stimmt’.
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