Große Herausforderungen – New York sieht dem Herbst mit Sorge entgegen

Corona
Foto – Thomas Roemer

Seitdem im März und April Ambulanzen mit COVID-19 Patienten durch die Stadt rasten und spezielle Lkws hinter Krankenhäusern als mobile Leichenhallen bereitstanden, hat sich in New York viel getan.

Es gab große Erfolge bei der Bekämpfung des Virus und das Infektionsgeschehen hat sich auf niedrigem Niveau stabilisiert, weniger als ein Prozent der Tests kommen derzeit positiv zurück. Die Stadt konnte das Leben über den Sommer stufenweise hochfahren. Die meisten Menschen haben jetzt die Gelegenheit, an ihrem Arbeitsplatz zurückzukehren, man kann in Restaurants essen (nur Außenbereiche) und es gibt wieder mehr Möglichkeiten, Sport zu treiben und zu shoppen.

Der Labor Day Feiertag, der erste Montag im September, ist in den USA der Anfang des Herbsts und normalerweise der Beginn der geschäftigsten Monaten des Jahres.

Foto – Heather Stills

Viele der bekannten Großveranstaltungen fallen in diese Zeit. Der New York Marathon, die Thanksgiving Day Parade, das Tree Lighting (Erleuchten des Weihnachtsbaums am Rockefeller Center), Halloween,  Black Friday, die Fashion Week und die UN-Vollversammlung.

Im Geschäftsleben sind es die Monate in denen gerne Deals gemacht werden und neue Projekte an den Start kommen. Mehrere Hunderttausend Studenten kehren an ihre Universitäten zurück, nachdem sie den Sommer zu Hause oder sonst wo verbracht haben. Collegeabgänger aus dem Rest der USA kommen für einen Job (oft den ersten) nach New York. Der Wohnungsmarkt boomt und Broadway Shows, Opernaufführungen und Ausstellungen feiern Premiere. Millionen von Touristen besuchen die Stadt.

Dieses Jahr ist alles anders: Großveranstaltungen werden abgesagt, finden online oder mit Corona Beschränkungen statt. Broadway Shows gibt es frühestens wieder im Januar und auch sonst ist der Kulturbetrieb stark eingeschränkt. (Museen nehmen langsam wieder den Betrieb auf, mit 25 % der normalen Kapazität) Es kommen praktisch keine Touristen oder Berufsanfänger und deutlich weniger zurückkehrende Studenten. Es stehen 70.000 Wohnungen frei – eine in New York unbekannte Situation. 

Foto – Amy Clastine

Nachdem die Stadt im Frühling mit der Bekämpfung des Virus beschäftigt war und der Sommer immer schon eine etwas ruhigere Zeit war, die Ablenkung bringt, spürt man die Folgen der Pandemie nun in vieler Hinsicht mehr denn je.

Die wirtschaftlichen Probleme sind immens. Besonders gut kann man das in Midtown Manhattan, dem größten Geschäftsbezirk der Stadt, illustrieren: Hierher strömen an Wochentagen normalerweise Hunderttausende von Menschen. Heute ist die Gegend jeden Tag so ruhig wie sonst nur an Wochenenden, vor den riesigen Bürotürmen herrscht kaum Betrieb.

Die New Yorker die sonst hier arbeiten, gehen mittags oder nach Arbeitsschluss in Restaurants, sie besuchen Bars, kaufen in den Delis (kleine Lebensmittelläden ein), nehmen Taxis (oder mittlerweile oft Uber) usw. Diese wirtschaftliche Aktivität fällt seit März fast komplett weg. Das bringt die Betriebe in Bedrängnis und führt oft in die Pleite. Die Situation in Midtown ist nur eins von unzähligen Beispielen. Wie in jeder komplexen Wirtschaft, könnte man solche Verflechtungen und Kettenreaktionen endlos nennen. Man sieht die Auswirkungen in der offiziellen Arbeitslosenquote von 20% und dem Überangebot von Gewerbeimmobilien wie Ladenlokalen und Restaurants.

Midtown Manhattan – Foto Mao Sherry

Der Alltag und das soziale Leben nehmen nach Labor Day normalerweise wieder mehr Fahrt auf. Auch hier werden fast alle Aspekte von der Pandemie berührt. Seien es die Schulen, öffentlicher Nahverkehr, Arztbesuche oder Zusammentreffen mit Freunden. Viele Freizeitangebote sind nicht existent oder die Nutzung gestaltet sich schwieriger als vor der Pandemie. Beispielsweise braucht man für jeden Besuch eines Fitnessstudio jetzt einen Termin.

Es ist auch eine Zeit, in der man nach vorne blickt, und die Leute machen sich dieses Jahr viele Sorgen. Verliere ich meinen Job?  Wie finde ich einen neuen Arbeitsplatz? Soll ich versuchen wegzuziehen? Wer kümmert sich um die Kinder, wenn es nur eingeschränkten Präsenzunterricht gibt? Soll ich sie überhaupt in die Schule schicken, oder ist es zu gefährlich? Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Greg Kushnick, ein Psychologe in Manhattan, sagte in der New York Times, dass er wachsenden Pessimismus wahrnimmt. ” Viele Patienten, die in den ersten Monaten nicht in Panik verfielen oder depressiv wurden, haben jetzt Untergangsgefühle. Der Gemütszustand wird bei vielen Menschen nicht besser, sondern schlechter. Ich denke, was es so schwierig macht, ist, dass es keine Ziellinie, keinen erkennbaren Endpunkt gibt, an dem die Krise vorbei wäre. Dies würde den Menschen helfen, auch wenn dieser Punkt weit weg wäre.”